Governance

Hindernisse für das Wachstum von Sustainable Finance (Teil 4)

Trotz der sehr dynamischen Entwicklung von Sustainable Finance gibt es noch einige Hindernisse für weiteres Wachstum:

Unklare Abgrenzungen schmälern das Marktvertrauen. Da keine allgemein akzeptierte Definition der Begriffe „ESG“ oder „Nachhaltigkeit“ existiert, herrscht auch keine Einigkeit darüber, was genau unter einer nachhaltigen Investition zu verstehen ist. Vermögensverwalter, Emittenten und Ratingagenturen verwenden jeweils eigene und häufig etwas unterschiedliche Definitionen.

Das macht es für die Anleger schwierig, genau zu erkennen, was sich im Einzelfall hinter dem Label „ESG“, „nachhaltig“ oder „grün“ verbirgt. Diese mangelnde Klarheit droht das Vertrauen der Märkte in nachhaltige Finanzierungen zu schmälern. Damit im Zusammenhang stehen auch Bedenken hinsichtlich eines „Greenwashings“, d.h. nicht fundierter Aussagen über die Nachhaltigkeit eines Unternehmens oder Produkts. Die Anleger schauen bei diesem Thema inzwischen deutlich genauer hin. Dies könnte einerseits das Wachstum dämpfen, andererseits die Qualität am ESG-Markt insgesamt verbessern.

Unzureichende ESG-Daten der Unternehmen.

Der Datenmangel stellt eine weitere große Hürde für Anleger und Vermögensverwalter dar, die wissen möchten, wie nachhaltig bestimmte Unternehmen und Vermögenswerte tatsächlich sind. Bisher werden solche Angaben, z.B. zum Umfang der Treibhausgasemissionen, nur freiwillig und dementsprechend lückenhaftveröffentlicht. Klimarisiken werden beispielsweise am häufigsten von großen Unternehmen, oft aus energieintensiven Sektoren, offengelegt.

In vielen Fällen fehlt es vor allem an zukunftsgerichteten Kennzahlen, anhand derer sich der Dekarbonisierungspfad eines Unternehmens besser einschätzen ließe. Insgesamt gibt es Bedenken wegen der eingeschränkten Vergleichbarkeit und zuweilen ungenügenden Qualität der verfügbaren Daten.

Unsicherheit über politische Vorgaben.

Sustainable Finance ist nur ein Element beim Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft. Eine umfassende, kohärente und langfristig orientierte politische Strategie ist ebenso wichtig.Der europäische „Green Deal“ ist dafür ein Beispiel. Er soll durch das von der Kommission vorgeschlagene Gesetzespaket „Fit für 55“ umgesetzt werden; unter anderem sollen das Emissionshandelssystem der EU ausgeweitet und Verbrennermotoren bis 2035 verboten werden. Auch außerhalb der EU werden derzeit ähnliche politische Vorhaben erarbeitet, wovon Sustainable Finance in Zukunft profitieren sollte. So könnten z.B. eine CO2-Bepreisung oder das Auslaufen umweltschädlicher Subventionen die Anreize für nachhaltige Investitionen erhöhen. Zudem sorgen solche langfristigenpolitischen Strategien für mehr Klarheit über den Dekarbonisierungspfad und verringern damit Übergangsrisiken, also Anlagerisiken, die sich aus möglichen Veränderungen der politischen Strategien auf dem Weg hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft ergeben.

Regulierung versucht, mit der Marktdynamik Schritt zu halten

Während Sustainable Finance wächst, nehmen auch die Bemühungen um eine Regulierung zu. Ziel der Regulierungsbehörden ist es insbesondere, den Kapitalfluss in nachhaltige Aktivitäten zu erleichtern und die oben genannten Hindernisse anzugehen. In diesem frühen Stadium konzentrieren sich die regulatorischen Maßnahmen zunächst auf die Ausarbeitung von Taxonomien, Offenlegungsvorgaben und produktbezogene Regulierung (z.B. Standards für grüneAnleihen).

Taxonomien – Klassifizierung nachhaltiger Aktivitäten

Weltweite Verbreitung. Taxonomien klassifizieren Aktivitäten, die zu Nachhaltigkeitszielen beitragen. Sie schaffen Klarheit darüber, was offiziell als „nachhaltigeInvestition“ einzustufen ist, und dienen häufig als Grundlage für Offenlegungsanforderungen oder Produktstandards. Das wohl bekannteste Beispiel ist die EU-Taxonomie, die Kriterien und Grenzwerte für ökologisch nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten festlegt. Ebenfalls zu den Pionieren gehört China mit seiner grünen Taxonomie, welche Vermögenswerte und Projekte auflistet, die mit grünen Anleihen finanziert werden können. Auch Japan oder Malaysia verfügen bereits über grüne Taxonomien, und rund 20 weitere Länder erarbeiten derzeit solche Rahmenwerke. Ebenso entwickeln mehrere Länder soziale Taxonomien. China hat einen „Technischen Bericht zur SDG-Finanztaxonomie“ erstellt, und in der EU hat die Plattform für nachhaltiges Finanzwesen im Februar einen Rahmen für eine soziale Taxonomie vorgeschlagen.

EU-Taxonomie – ein wichtiger Meilenstein, der sich weiterentwickeln wird.

Die EU-Taxonomie definiert, was eine „nachhaltige Investition“ ist. So schafft sie mehr Klarheit und legt Leitlinien für den Markt fest. Jedoch zeigt die Diskussion über die Entscheidung der EU-Kommission, auch Atomkraft und Erdgas unter bestimmten Bedingungen als nachhaltig einzustufen, dass die Taxonomie zu keinem Konsens geführt hat in der Frage, was als grüne Investition gilt. Manche Anleger bevorzugen weiterhin striktere Screening-Kriterien. Im Grunde dreht sich die Diskussion darum, wie Übergangstechnologien im Taxonomie-Rahmenwerk behandelt werden sollen. Das bisherige, duale Schema („grün“/„nicht grün“) zur Einstufung von Aktivitäten erfasst die laufende ökologische Wende und den dafür erforderlichen Kapitalbedarf in der Tat nicht vollständig.

Die Plattform für nachhaltiges Finanzwesen hat im März ein differenzierteres Schema für eine erweiterte Taxonomie vorgeschlagen, um die Finanzierung von Übergangstechnologien zu erleichtern.

Ein zentrales Element der Taxonomie sind die technischen Screening-Kriterien, die genau beschreiben, was als nachhaltige Aktivität anzusehen ist. Diese müssen die richtige Balance finden zwischen Klarheit einerseits und Komplexität, leichter Handhabbarkeit und regulatorischer Belastung andererseits. Bisher wurden solche Kriterien für zwei Ziele ausgearbeitet: Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel. Der entsprechende delegierte Rechtsakt umfasst insgesamt 350 Seiten. Die Kriterien für die verbleibenden vier Umweltziele müssen noch definiert werden. Zusätzlich wird die Komplexität dadurch erhöht, dass die Taxonomien dynamisch und anpassungsfähig sein und die Einbindung neuer Technologien und Erkenntnisse ermöglichen sollen. Gleichzeitig sollen sie den Anlegern eine verlässliche Klassifizierung bieten.

Befürchtungen wegen einer möglichen regulatorischen Fragmentierung nehmen zu, da immer mehr Länder ihre eigenen Taxonomien erarbeiten. Durch unterschiedliche Definitionen von „grünen Anlagen“ entstehen ernsthafte Hürden für die globalen Finanzmärkte und insbesondere für grenzüberschreitende Investitionen.

Das Problem ist zwar erkannt, aber eine globale Taxonomie liegt bisher noch in weiter Ferne und wäre realistischerweise ohnehin nur der kleinste gemeinsame Nenner. In einem ersten Schritt haben die EU und China ihre Taxonomien miteinander verglichen, woraus sich die noch nicht abgeschlossene und nicht bindende „Common Ground Taxonomy“ ergeben hat. Darüber hinaus dient die EU-Taxonomie einigen Ländern als Maßstab. Großbritannien sowie Südafrika, Mexiko und einige andere Schwellenländer orientieren sich bei der Erstellung ihrer eigenen Taxonomien an der EU.20 Die von der EU ins Leben gerufene „International Platform on Sustainable Finance“ (IPSF) verfolgt eine weitere Harmonisierung.

Offenlegungsregeln – konsistente und relevante Informationen einfordern

Offenlegung wird zunehmend verpflichtend. Bisher werden ESG-Daten auf freiwilliger Basis offengelegt, weshalb sie lückenhaft, inkonsistent und nicht vergleichbar sind. Deshalb haben inzwischen verschiedene Regulierungsbehörden Maßnahmen ergriffen, um die Transparenz zu erhöhen und damit die Effizienz der Märkte zu stärken. Eine standardisierte Berichterstattung wird es Anlegern ermöglichen, die Nachhaltigkeitskennzahlen von ansonsten ähnlichen sorgen, dass sich die Unternehmen selbst über Nachhaltigkeitsrisiken klar werden.

Damit verbunden ist die Hoffnung, dass wichtige Nachhaltigkeitskennzahlen besser gesteuert werden, wenn sie erst einmal gemessen werden. Für die Unternehmen bringen diese Regeln zunächst allerdings viel Arbeit mit sich. Europaist bei den Offenlegungsanforderungen führend, gefolgt von den USA.