Offenlegungsregeln für die Finanzbranche (Teil 5)

Die EU-Offenlegungsverordnung (SFDR) verpflichtet Akteure an den Finanzmärkten einschließlich Finanzberatern dazu, offenzulegen, in welchem Umfang sie Nachhaltigkeitserwägungen bei ihren Anlageprodukten berücksichtigen.

Zentrale Elemente sind die Offenlegung nachteiliger Auswirkungen der Investition auf die Nachhaltigkeit („principal adverse impacts“, PAI), was für große Finanzunternehmen (mit über 500 Mitarbeitern) obligatorisch ist, und  ein Beleg dafür, dass als nachhaltig gekennzeichnete Produkte tatsächlich den Anforderungen der Taxonomie entsprechen. Die Offenlegungsverordnung trat im März 2021 in Kraft und ist in vollem Umfang ab dem 1. Januar 2023 anzuwenden.

Darüber hinaus weitet die EU derzeit mit dem Entwurf einer Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) die Offenlegungsanforderungen für Unternehmen außerhalb des Finanzsektors deutlich aus. Die CSRD soll die Richtlinie über die Angabe nichtfinanzieller Informationen (Non-Financial Information Disclosure Directive, NFRD) ersetzen und führt Folgendes ein:

  • den Grundsatz der „doppelten Materialität“ (Beurteilung der Auswirkungen von Nachhaltigkeitsrisiken auf das Unternehmen sowie umgekehrt der Auswirkungen des Unternehmens auf Gesellschaft und Umwelt),
  • eine verpflichtende Berichterstattung gemäß der Offenlegungsverordnung und der EU-Taxonomie, und
  • eine Prüfpflicht.

Der Vorschlag muss noch vom Rat und vom Parlament verabschiedet und dann in nationales Recht umgesetzt werden. Die Berichterstattungspflicht nach der CSRD soll ab 2024 gelten, wobei die Richtlinie gestaffelt nach Unternehmensgröße und -art eingeführt werden soll und bis 2028 Ausnahmen für KMU gelten.

Großbritannien – Pionier der Offenlegung.

Großbritannien hat als erstes G20-Land verbindliche Offenlegungsvorgaben gemacht. Sie basieren auf dem weithin akzeptierten Rahmenwerk der „Taskforce on Climate-Related Financial Disclosure“ (TCFD). Derzeit gilt diese Pflicht für börsennotierte Unternehmen und einige andere Finanzmarktteilnehmer, die von der Financial Conduct Authority (FCA) beaufsichtigt werden. Außerdem wird derzeit ein sogenanntes Sustainability Disclosure Requirement (SDR) entwickelt, bei dem es um Offenlegungspflichten von Nachhaltigkeitsaspekten geht. Sie werden als Antwort auf die EU-Offenlegungsanforderungengesehen und sollen basierend auf dem TCFD-Rahmenwerk die Offenlegungsanforderungen  für nichtfinanzielle Unternehmen und Finanzinstituteunter einen Hut bringen.

USA – neue SEC-Vorgaben in Vorbereitung.

Im Frühjahr hat die SEC ein Konsultationsverfahren zu Offenlegungsanforderungen von Klimarisiken für börsennotierte Unternehmen durchgeführt. Bis zum Jahresende sollen die neuen Vorgaben vollständig ausgearbeitet sein. Dem Entwurf zufolge sollen Unternehmen über Klimarisiken für ihr jeweiliges Geschäft Bericht erstatten.

Dazu gehören auch Angaben zum Management dieser Risiken, zum Umfang der Treibhausgasemissionen (Scope 1-3) und gegebenenfalls zu Dekarbonisierungsplänen und zum verwendeten Rahmenwerk für Szenarioanalysen.

Die neuen Regeln sollen schrittweise bis 2026 eingeführt werden und sehen keine Haftung für nach Treu und Glauben geschätzte Scope-3-Emissionen vor. Im Mai schlug die SEC ein weiteres Regelwerk vor, um mehr Klarheit über Fonds mit ESG-Label zu schaffen. Erstens sollen die Fonds entsprechend einer angepassten „Namensregel“ dazu verpflichtet sein, den in ihrem jeweiligen Namen verwendeten ESG-Begriff zu konkretisieren und sicherzustellen, dass mindestens 80 Prozent der vom Fonds gehaltenen Vermögenswerte dieser Definition entsprechen. Zweitens sollen für Fonds mit einem ESG-Label schärfere Offenlegungsregeln gelten. Insbesondere sollen sie dazu verpflichtet sein, Angaben über die jeweils verwendete nachhaltige Anlagestrategie zu machen.

China – Offenlegungsanforderungen werden ausgeweitet

Im Gegensatz zur Vorreiterrolle des Landes bei der Taxonomie und bei grünen Anleihen sind die ESG-Offenlegungsanforderungen in China im internationalen Vergleich noch relativ dünn.25 Seit Anfang 2022 gelten neue Vorgaben des Ökologie- und Umweltministeriums, denen zufolge große Emittenten und einige börsennotierte Unternehmen ihre Emissionen und das Management von Umweltrisiken offenlegen müssen.

ISSB-Standard als globale Grundlage?

Da derzeit an vielen Stellen Offenlegungsregelwerke entwickelt werden, gibt es Befürchtungen, dass es zu einer regulatorischen Fragmentierung kommen könnte. Das International Sustainability Standards Board (ISSB) arbeitet daher an einer Harmonisierung der Vorgaben.

Es hat ein Konsultationsverfahren zu zwei Vorschlägen zu Offenlegungspflichten von Nachhaltigkeits- und Klimaaspekten durchgeführt und möchte sie bis zum Jahresende abschließend ausarbeiten. Diese Vorschläge werden die Basis für neue IFRS-Rechnungslegungsstandards sein. Die ISSB-Standards könnten aus mehreren Gründen zu einer globalen Grundlage werden:

  • Das ISSB genießt breite Unterstützung, z.B. von den G20,
  • die Entwürfe der Standards wurden veröffentlicht, während wichtige Länder noch an ihren Offenlegungsanforderungen arbeiten, und
  • die Standards gestatten es den Ländern, mit ihren eigenen Anforderungen darüber hinauszugehen.

Ausblick: Sustainable Finance wird weiter wachsen und reiferwerden – unterstützt durch Regulierung und Technologie

Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien durch die Finanzbranche bringt zunächst beträchtliche Kosten mit sich. Es wird auch zukünftig in vielen Unternehmen innerhalb und außerhalb des Finanzsektors beträchtliche Ressourcen erfordern, um

  • Strategien, Governance-Strukturen und Verfahren mit den eigenen Nachhaltigkeitszielen in Einklang zu bringen,
  • relevante Nachhaltigkeitskennzahlen zu messen, offenzulegen und zu steuern,
  • mit dem sich entwickelnden regulatorischen Rahmenwerk Schritt zu halten

Derweil besteht weiterhin die Gefahr einer regulatorischen Fragmentierung. Das würde noch mehr Ressourcen binden, und im schlimmsten Fall könnte Sustainable Finance zu einer reinen Pflichtübung verkommen. Allerdings ist es auch keine Option, Sustainable Finance im aktuellen Schwebezustand zu lassen.

Die neuen Vorgaben werden für mehr Klarheit und Transparenz sorgen. Zudem trägt die Arbeit internationaler Standardisierungsgremien wie des ISSBzur Koordinierung und Harmonisierung der  Regeln bei. Das könnte einen Rahmen schaffen, der zu globalen Finanzmärkten passt. Derzeit geht es noch darum, die Kennzahlen möglichst gut zu definieren. Mittelfristig wird jedoch die Wirkung von Sustainable Finance im Vordergrund stehen. Insgesamt sollte dies zu einem einheitlicheren Markt beitragen und dabei helfen, Vertrauen aufzubauen und Sustainable Finance auf eine robustere Grundlage zu stellen.

Mehr als Klimaschutz.

Bei den regulatorischen Vorhaben wie z.B. der EU-Taxonomie oder dem vorgeschlagenen ISSB-Standard hat der Klimaschutz aktuell Priorität. Nachhaltigkeit ist jedoch ein sehr viel breiteres Thema. Daher bemühen sich die Regulierungsbehörden, weitere Aspekte mit einzubeziehen.

Beim Thema Umwelt rückt die Biodiversität verstärkt ins Blickfeld. So hat die EU-Plattform für nachhaltiges Finanzwesen kürzlich Empfehlungen dazu veröffentlicht, wie die Taxonomie auch die Themen Biodiversität, Wasser, Verschmutzung und Kreislaufwirtschaft berücksichtigen kann. Zudem arbeitet die „Taskforce on Nature-related Financial Disclosure“ (TNFD) an einem Rahmenwerk, das es ermöglichen soll, das Risiko eines Biodiversitätsverlusts in Geschäfts-und Anlageentscheidungen einzubeziehen. Auch soziale Fragen erhalten inzwischen mehr Aufmerksamkeit; so hat z.B. die Plattform für nachhaltiges Finanzwesen vor Kurzem einen Vorschlag für eine soziale Taxonomie erarbeitet.

Sustainable Finance profitiert von Technologie.

Daten spielen für Sustainable Finance eine zentrale Rolle. Insofern dürfte der Markt zunehmend von moderner Technologie profitieren. Künstliche Intelligenz (KI) kann z.B. dabei helfen, relevante ESG-Daten aus umfangreichen, zumeist unstrukturierten und qualitativen Quellen wie Unternehmensberichten und Internetseiten herauszufiltern und zu analysieren. Zu diesem Zweck wird KI derzeit vor allem von professionellen Datenanbietern eingesetzt. Ebenso können moderne Technologien Unternehmen bei der Erfassung relevanter ESG-Daten unterstützen. Beispiele wären Verschmutzungssensoren, die ans Internet der Dinge angeschlossen werden können, oder Blockchain-Technologie zur Überwachung der Lieferketten.

Unternehmen sowohl innerhalb als auch außerhalb des Finanzsektors können sich die Möglichkeiten fortgeschrittener Datenanalyse zunutze machen, um Dekarbonisierungspfade zu modellieren und die Auswirkungen von Klimarisiken auf Geschäftsmodelle abzuschätzen.

Insgesamt wird Sustainable Finance weiter wachsen und konzeptionell reifer werden. Mittel- bis langfristig wird das weitere Wachstum getragen vom fundamentalen Trend des Klimawandels, den zunehmenden Bemühungen von Ländern und Unternehmen um eine CO2-neutrale Wirtschaft sowie dem anhaltenden Interesse der Anleger. Kurzfristig entsteht allerdings Gegenwind

  • durch ein schwieriges makroökonomisches Umfeld (steigende Inflationsraten und Zinsen,Furcht vor Rezession, Krieg in der Ukraine) und
  • die Vielzahl neuer regulatorischer Anforderungen, die den ESG-Markt klarer strukturieren sollen.