Warum es beim Klimaschutz auf „Transition Finance“ ankommt

Trotz zwei Wochen harter Verhandlungen bot die Abschlusserklärung des vergangenen UN-Klimagipfels im November 2022 in Sharm El-Sheikh (COP 27) wenig Konkretes, um die Treibhausgasemissionen zu senken. Zwar haben die dort versammelten Staaten das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens erneut bekräftigt, sie werden es jedoch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit verfehlen. Und nicht nur das: Laut Berechnungen der Climate-Action-Tracker-Forschungsgruppe dürfte die globale Durchschnittstemperatur auf Basis der derzeitigen Zusagen bis 2100 um 2,4 Grad Celsius steigen.

Den Klimawandel doch noch im Sinne des Pariser Klimaabkommens zu bremsen, erfordert somit unverzügliches Handeln und vor allem enorme Investitionen. Allein auf EU-Ebene schätzt die Europäische Kommission den Bedarf an zusätzlichen Investitionen für die Wende der europäischen Wirtschaft hin zu weniger Kohlenstoff auf 390 Milliarden Euro pro Jahr. Dabei wird es jedoch nicht ausreichen, nur das zu fördern, was heute schon grün ist. Alle Sektoren der Wirtschaft müssen grüner werden. Dies gilt insbesondere für Sektoren wie zum Beispiel Stahl, Zement und Aluminium. Doch hier gelten prozessbedingte Emissionen als „schwer vermeidbar” (engl. „hard to abate”), weil die dortigen Unternehmen entweder (noch) nicht über die entsprechende Technologie verfügen oder die Kosten sehr hoch sind.

Wie kann „Transition Finance“ helfen unsere Klimaziele zu erreichen?

Das ist genau der Punkt, an dem „Transition Finance“ – in etwa zu übersetzen als Übergangsfinanzierung – ansetzt. Anstatt punktuell zu bewerten, was heute bereits nachhaltig ist, geht es bei Transition Finance darum, eine Dynamik hin zu mehr Nachhaltigkeit zu entwickeln. „Transition Finance“ ermöglicht somit eine umfassende Betrachtung ganzer Wirtschaftssektoren. Noch wichtiger: Es bezieht Unternehmen mit ein, die heute viel CO2 emittieren und unterstützt diese beim nachhaltigen Umbau ihrer Geschäftsmodelle; all das auf Basis von spezifischen und wissenschaftlich fundierten Übergangsplänen. In diesem Sinne ist „Transition Finance“ ein wesentliches Instrument innerhalb eines umfassenderen Werkzeugkastens für nachhaltige Finanzen. Dieses Instrument kann und sollte eingesetzt werden, um unsere Wirtschaftsaktivitäten mit dem Temperaturziel des Pariser Klimaabkommens in Einklang zu bringen.

Woran hakt es noch bei „Transition Finance“?

Da „Transition Finance“ einen Prozess abbildet, ist es nicht so einfach, eine Auflistung von Kriterien vorzunehmen, wie dies teils für dunkelgrüne Aktivitäten geschieht. Die Definition, was eine geeignete Übergangsfinanzierung ist, um klimaneutral zu werden, hängt unter anderem stark davon ab, um welches Unternehmen und welchen Standort es sich handelt, wie die nationalen Rahmenbedingungen ausgestaltet sind, welche geografischen Gegebenheiten vorhanden sind und auch zu welchem Zeitpunkt finanziert werden soll.

Die Definitionsunschärfe kann dazu führen, dass Finanzmarktakteure verunsichert sind und zögern, notwendige Übergangsfinanzierungen überhaupt erst bereitzustellen. So ist dann zum Beispiel unklar, wie eine Bank bewerten kann, ob und dass ein Unternehmen sich glaubwürdig darauf ausrichtet, das Temperaturziel des Pariser Abkommens zu erreichen. Die OECD-Branchenumfrage zur Übergangsfinanzierung aus dem Jahr 2022 belegt diese Verunsicherung: So geben 62 Prozent der befragten Finanzakteure an, solche Bedenken zu haben. Es besteht somit schnell die Gefahr, dass sich Institute „Green Washing“-Vorwürfen ausgesetzt sehen.

Eine weitere Herausforderung von „Transition Finance“ ist es, sogenannte Lock-in-Effekte für kohlenstoffintensive Technologien zu vermeiden. Lock-in-Effekte können aus Investitionen in neue, aber weiterhin kohlenstoffintensive Industrieanlagen mit langer Laufzeit resultieren. Und zwar dann, wenn diese zwar etwas weniger CO2 emittieren als bestehende Anlagen, aber nach der Installation lange am Laufen bleiben und Neuinvestitionen in umweltfreundlichere Technologien auf lange Frist unrentabel machen.

Kann die EU-Taxonomie helfen „Transition Finance“ voranzubringen?

Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, brauchen wir einen klaren Rahmen für „Transition Finance“. Mit der EU-Taxonomie gibt es auf europäischer Ebene zwar bereits ein Klassifizierungssystem für ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten. Die Bemühungen der EU konzentrieren sich allerdings bislang in erster Linie auf die Förderung von Investitionen in Wirtschaftszweige, die bereits jetzt als „dunkelgrün“ gelten. In ihrer aktuellen Ausgestaltung hat die EU-Taxonomie dabei also genau die oben beschriebenen Mängel, dynamische Transformationsprozesse nicht ausreichend abzubilden, geschweige denn zu fördern. Zudem bildet die Taxonomie bislang nur einen Teil der Gesamtwirtschaft ab. Laut EU-Kommission werden derzeit etwa 40 Prozent der börsennotierten Unternehmen von der Taxonomie erfasst.

Die EU-Kommission hat daher die „Platform on Sustainable Finance“ beauftragt, sich mit einer Erweiterung der Taxonomie zu befassen, um „Transition Finance“ besser abzubilden. Der Abschlussbericht der Plattform liegt seit März 2022 vor. Der Bankenverband hat diese Initiative begrüßt, gleichwohl stufen wir den aktuellen Stand als viel zu komplex für eine praktikable Umsetzung ein. Insbesondere die angestrebte dynamische Weiterentwicklung und Verschärfung von sogenannten technischen Screening- und Do-No-Significant-Harm-Kriterien, um Wirtschaftsaktivitäten als nachhaltig / nicht nachhaltig zu klassifizieren, würde große Unsicherheiten hervorrufen und Aufwände durch permanente Anpassungen der Taxonomie verursachen. Denn so könnte es mittel- bis langfristig immer unvorhersehbarer werden, welche Investitionen unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten noch opportun sind: Dann drohen auch Aktivitäten von Unternehmen, die deutlich ihre Klimaschutzbemühungen vorantreiben, in die rote Kategorie zurückzufallen.

Wie können diese Herausforderungen gemeistert werden?

Da „Transition Finance“ stark von den jeweiligen Umständen abhängt, sollte der dynamische Prozess Richtung mehr Nachhaltigkeit – Stichwort: Greening the Economy – nicht über eine Vielzahl von hochkomplexen technischen Bewertungskriterien gesteuert werden. Viel zielführender ist ein prinzipienbasierter Ansatz. Das heißt: Basis für „Transition Finance“ sollten zum Beispiel glaubwürdige Übergangspläne von Unternehmen sein. Dies ist auch der Ansatz für den sich die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrem Bericht „OECD Guidance on Transition Finance“ aus dem Oktober 2022 ausspricht.

Anstatt wie von der Plattform der EU-Kommission vorgeschlagen vier zusätzliche Kategorien einzuführen, kann dann ein einfacherer und praktikablerer Ansatz gewählt werden. Es würde ausreichen, neben der bereits bestehenden „dunkelgrünen“ Taxonomie eine Liste von Aktivitäten zu erstellen, die zum Ausschluss führen, weil sie nicht transformierbar sind: also eine „Always-Significant-Harmful-Kategorie“ – kurz ASH-Kategorie. Dies schafft Rechtssicherheit für alle Beteiligten. Bei allen anderen Aktivitäten, die weder als „dunkelgrün“ gelten können, noch in die ASH-Kategorie fallen, besteht dann die Möglichkeit und auch die Notwendigkeit zur Transformation Richtung mehr Klimaschutz. Transformationsfinanzierungen sollten sich dabei an Übergangsplänen von Unternehmen orientieren, welche sich wiederum an sektor-basierten und wissenschaftlich fundierten Transformationspfaden ausrichten sollten.

Ausblick

Noch scheint das Thema „Transition Finance“ seit der Vorlage des Plattform-Berichts auf der Prioritätenliste der EU-Kommission nach hinten gerückt zu sein. Die zentrale Bedeutung von Transition Finance und das sich schließende Zeitfenster, um den Klimawandel überhaupt noch bekämpfen zu können, unterstreichen jedoch, dass deutlich mehr Tempo erforderlich ist. Die EU-Kommission sollte die Entwicklung eines klaren und handhabbaren Rahmenwerks für „Transition Finance“ zu einer Priorität machen. Eine „Green Economy“ werden wir nur durch das „Greening of the Economy“ erreichen.

Dieser Beitrag erschien zunächst im Blog des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB).

 

 

Autor

  • Frederik Lange ist ein erfahrener Politikökonom und berät derzeit zu Fragen des nachhaltigen Finanzwesens. Lange verfügt über starke Expertise an der Schnittstelle von Wirtschaft, Finanzen und europäischen Angelegenheiten. Derzeit arbeitet er für den Bundesverband deutscher Banken e.V. im Team "Nachhaltigkeit" Während seiner gesamten Karriere hat er sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor gearbeitet, einschließlich in internationalen Organisationen. Lange hat akademische Abschlüsse in European Studies und Business Administration und steht kurz vor dem Abschluss eines MSc in Economics (Titel der Abschlussarbeit: „Natural Disasters and Euro Area Inflation: An Empirical Reassessment“). Er ist Autor mehrerer wissenschaftlicher und fachlicher Publikationen.

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