ESG in der Praxis – Strategien für Geldanlagen

Der Klimawandel, soziale Ungleichheiten und globale Missstände sowie das wachsende Nachhaltigkeitsbewusstsein der Versicherungskunden führen dazu, dass institutionelle Investoren wie Versicherungsgesellschaften vermehrt darauf achten, ESG-konforme Investments zu tätigen. Dies zeigt auch das stetig wachsende Anlagevolumen nachhaltiger Investmentfonds in Deutschland. Laut des Marktberichts ‘Nachhaltige Geldanlagen 2021’ vom Forum für nachhaltige Geldanlagen (FNG) betrug dieses 2005 gerade einmal 1,7 Milliarden Euro. 2021 wurde mit 254 Milliarden Euro nachhaltiger Investments ein neuer Höchststand erreicht.

Autor: Gordon Diehr ist COO der Liechtenstein Life. Diehr gehört zum Gründungsteam der Liechtenstein Life und baute dort zunächst die Bereiche Operation und Vertriebssteuerung auf. Zuvor war er in der Holding eines großen Finanzdienstleister tätig.Diehr hat Betriebswirtschaftslehre mit einem Schwerpunkt auf Bankbetriebslehre studiert und hält einen MBA von der Leipzig Graduate School of Management (HHL). Er lehrt als Dozent in Zürich an der Fachhochschule für Versicherungswirtschaft.

Mit der Masse an Fonds wächst aber auch die Unübersichtlichkeit. Es gibt weder eine allgemeingültige Definition von Nachhaltigkeit in der Assekuranz, noch gibt es einen Standard bei der Berücksichtigung von ESG-Aspekten in der Kapitalanlage. Daraus ergibt sich, dass Unternehmen unterschiedliche Ansätze wählen und kombinieren können. Um Geldanlagen nachhaltig zu gestalten, stehen Investoren in der Regel sieben Strategien zur Verfügung:

Ausschlusskriterien

Bei diesem Nachhaltigkeitsansatz handelt es sich um einzelne oder multiple Kriterien, die Investments in bestimmte Unternehmen, Branchen oder Länder ausschließen. Meistens fallen darunter, Waffen-, Tabak- oder Alkoholhersteller und -händler. Die Bandbreite möglicher Ausschlusskriterien ist groß und von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Außerdem ist zwischen Ausschlusskriterien mit und ohne Umsatztoleranzgrenze zu unterscheiden. Diese kann ebenfalls von den Fondsgesellschaften selbst gesetzt werden, beträgt aber in der Regel um die drei bis fünf Prozent.

Einschlusskriterien Best-in-Class

Beim Best-In-Class-Ansatz werden Wertpapieremittenten identifiziert, die hinsichtlich ihrer ESG-Kennzahlen zu den besten und nachhaltigsten ihrer Branche gehören. Hierbei handelt es sich um eine relative Betrachtung. Damit soll der brancheninterne Wettbewerb gefördert werden, sodass es auch im Interesse der Unternehmen ist, sich nachhaltig zu transformieren und somit für Investoren interessant zu bleiben.

Normbasierte Prüfung/ Screening

Bei dieser Anlagestrategie werden Investitionsobjekte ausgewählt, die bestimmte Mindeststandards meist internationaler Normen erfüllen. Diese Strategie wird oft in Verbindung mit Ausschlusskriterien sowie dem Best-in-Class Ansatz kombiniert. Da Nachhaltigkeitskriterien anhand von internationalen Normen objektiviert werden, bietet dieser Ansatz ein Fundament, das Greenwashing verhindert. Welche Normen als Beurteilungsmaßstab herangezogen werden sollen, entscheidet aber der Versicherer.

ESG-Integration

ESG-Integration bedeutet, dass Kapitalanleger über den ganzen Portfoliomanagement-Prozess systematisch ESG-Aspekte berücksichtigen. Die Operationalisierung kann unterschiedlich erfolgen. Dies erschwert wiederum den brancheninternen Vergleich von Unternehmen. Zur Schaffung von Transparenz und Vergleichbarkeit gibt es Verbände und Organisationen, in die Unternehmen eintreten können, um sich an deren erarbeiteten Ansätze für Analysen, Entscheidung und Reporting zu orientieren.

Themenbasierte Nachhaltigkeitsinvestition

Beim thematischen Ansatz geht es darum, dass ESG-Themen wie beispielsweise demografischer Wandel, Ressourceneffizienz oder Klimaschutz gesetzt werden und unterschiedliche Unternehmen einzelnen Themen zugeordnet werden. Diese müssen dann ausdrücklich eine nachhaltige Motivation für ihr Thema aufweisen und entsprechende ESG-Faktoren mit einbeziehen.

Investition mit einer messbaren Wirkung (Impact Investing)

Dieser Ansatz baut auf die ESG-Kriterien auf und setzt zusätzlich auf messbare ökologische und soziale Wirkung. Hierbei liegt der Fokus auf Unternehmen, die einen messbar positiven Beitrag zum Umweltschutz oder der Gesellschaft leisten. Aus dem Marktbericht 2020 des FNG geht hervor, dass Impact Investing zwischen 2019 und 2020 um 104 Prozent gewachsen ist. Auch hier gibt es unterschiedliche Modelle zur Messung.

Stimmrechtsausübung bei der Hauptversammlung/ Engagement

Engagement äußert sich in vielerlei Formen. Dies kann unter anderem die Stimmrechtsausübung sein, aber auch der Dialog mit dem Unternehmen, genauso wie eine Mitwirkung in Unternehmensgremien. Die potenzielle Einflussnahme hängt dabei allerdings von der Aktivität des Investors ab.

Welche Strategien sind am beliebtesten?

Laut des Marktberichts 2020 des FNG zeichnet sich ab, dass es eine immer breitere Anwendung aller Anlagestrategien gibt. In 81 Prozent der Assets und Fonds kommt die ESG-Integration zum Einsatz. Nur normbasiertes Screening und Ausschlüsse sind noch beliebter. Auch der Engagement-Ansatz wird von den Studienteilnehmern im Marktbericht des FNG von 77 Prozent der nachhaltigen Fonds verfolgt. Das Anlagevolumen des Best-In-Class-Ansatzes wuchs um knapp 67 Prozent auf fast 160 Milliarden Euro. Das entspricht etwa 65 Prozent der Geldanlagen in nachhaltige Fonds. Schlusslichter hingegen bilden die themenbasierte Nachhaltigkeitsinvestition sowie das Impact Investing.

Was es in Zukunft braucht

Aus einer gemeinsamen Studie von PwC und Morningstar geht hervor, dass fast ein Drittel des gesamten europäischen Fondsvermögens als nachhaltig im Sinne der Offenlegungsverordnung klassifiziert wurde. Dies ist unter anderem möglich, da die Fondsgesellschaften bei der Einstufung von Angeboten noch sehr unterschiedlich vorgehen.

Die Datengrundlage, die Investmentmanager zur Auswahl ihrer Unternehmen nutzen, ist in Bezug auf Nachhaltigkeit noch relativ jung und wenig standardisiert. Dies muss sich ändern, um fairen Wettbewerb zu gewährleisten sowie wirklich nachhaltig zu investieren. Die Branche ist bereit den nächsten Schritt in Richtung grüne Zukunft zu gehen – dazu braucht es gesetzlich festgelegte ESG-Ratings, die standardisiert und quantifizierbar sind. Erst dann kommen wir zu einem gemeinsamen Verständnis über die Nachhaltigkeit von Investitionen.