Sustainable Finance: Bedeutung des Klimawandels für Privatanleger
Wie sollen Privatanleger mit der Volatilität der Märkte umgehen, die durch die zunehmende Häufigkeit und Schwere extremer Wetterereignisse und die langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels verursacht wird?
Ob Überschwemmungen in New York, Waldbrände in Südeuropa oder Dürre in Ostafrika – die globale Erwärmung führt dazu, dass extreme Wetterereignisse weltweit immer häufiger und intensiver auftreten. Der Juli 2023 war der heißeste Monat in der Geschichte der Aufzeichnungen, und auch die Temperaturen im August und September brachen Rekorde in bisher unbekanntem Ausmaß.
In Verbindung mit Märkten denken viele beim Klima wahrscheinlich zunächst unmittelbar an den mittlerweile beinahe allgegenwärtigen Trend zu ökologisch und ökonomisch nachhaltigen Investments (ESG). Manchem mag hierbei auch der Zusammenhang zwischen klimabedingten Umweltkatastrophen und Versicherungsschäden für Betroffene oder Versichernde in den Sinn kommen.
Während der Klimawandel an sich – im Gegensatz zur Debatte noch von vor wenigen Jahren – mittlerweile kaum noch ernsthaft in Zweifel gezogen wird, werden die Diskussionen über seine direkten und indirekten Auswirkungen auf globale Märkte bislang noch überwiegend von Fachleuten geführt. Dies gilt sowohl für Fragen im Zusammenhang mit unmittelbaren Auswirkungen des Klimawandels als auch für seine langfristigen Folgen. Denn so wie etwa extreme Wetterereignisse gleichermaßen unmittelbare wie latente bis chronische Auswirkungen haben können, gilt dies auch für die Maßnahmen, mit denen Regierungen und Verwaltungen weltweit auf diese zu reagieren versuchen.
Die direkten, akuten Auswirkungen des Klimawandels
Eine Studie aus dem Jahr 2009 hat gezeigt, dass eine klimabedingte Naturkatastrophe das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt eines Landes durchschnittlich um mindestens 0,6 Prozent verringert. Auch wenn dieser Wert nicht in einer linearen Gleichung angelegt werden kann, liegt es auf der Hand, dass ein Anstieg von Häufigkeit und Schwere solcher Ereignisse entsprechend größere Rückgänge der Wirtschaftsleistung zur Folge haben werden. Zusätzlich verstärkt werden die Auswirkungen häufigerer und extremer Wetterereignisse durch die lange Erholungszeit, die eine Volkswirtschaft nach dem Eintreten eines solchen Ereignisses benötigt: Eine Studie aus dem Jahr 2014, die sich auf Daten von 6.700 Wirbelstürmen zwischen 1950 und 2008 stützt, kam zu dem Schluss, dass es zwanzig Jahre dauert, bis sich die Wirtschaft eines Landes von den Schäden eines einzelnen Wirbelsturms erholt hat.
Die Situation ist jedoch komplexer, da sich die Auswirkungen je nach Wirtschaftszweig und Art des extremen Wetterereignisses unterscheiden. Einer Studie von Ökonomen der Weltbank zufolge reagiert das Wachstum in Entwicklungsländern empfindlicher auf Naturkatastrophen als in Industrieländern, da bei ersteren in der Regel mehr Sektoren betroffen und die Auswirkungen im Vergleich größer und wirtschaftlich bedeutsamer sind. Dieselbe Studie kommt zu dem Ergebnis, dass moderate Katastrophen wie leichte Überschwemmungen manchmal sogar einen positiven Wachstumseffekt auf die mit dem Wiederaufbau befassten Sektoren haben; bei schweren Katastrophen ist dies – versucht man vom persönlichen Leid der Betroffenen einmal abzusehen – dagegen auch rein wirtschaftlich unmöglich.
Abgesehen von den Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum haben durch den Klimawandel bedingte extreme Wetterereignisse auch inflationäre Effekte. Dies liegt unter anderem daran, dass solche Ereignisse verheerende Einflüsse auf Lieferketten haben können. Eine Studie aus dem Jahr 2014 legt nahe, dass die inflationären Auswirkungen klimabedingter extremer Wetterereignisse in der Vergangenheit dadurch abgemildert wurden, dass im Einzelhandel zunächst Lagerbestände abgebaut wurden, bevor versucht wurde, höhere Preise an die Kunden weiterzureichen. Diese Zurückhaltung herrscht im allgemeinen Umfeld hoher Inflationserwartungen jedoch nicht mehr, so dass klimabedingte Katastrophen das Potenzial haben, noch extremere Inflationsschocks auszulösen. So können insgesamt fast 30 Prozent der mittelfristigen Volatilität der Verbraucherinflation in der Eurozone und das Fehlen einer Disinflation nach der großen Rezession auf Schocks bei den globalen Ernten und Lieferketten zurückgeführt werden.
Laut dem Bericht zum vierten Quartal 2022 der Bank of England „hat sich gezeigt, dass die physischen Auswirkungen des Klimawandels die Inflation vorübergehend ansteigen lassen, insbesondere die Lebensmittelpreise, aber diese Auswirkungen haben sich mittelfristig wieder verflüchtigt. Allerdings könnten die Auswirkungen solcher Ereignisse in Zukunft größer sein, wenn extreme Wetterereignisse häufiger und heftiger auftrete.“
Die indirekten und dauerhaften Auswirkungen des Klimawandels
Eine Reihe von Faktoren, die auf die anhaltenden Auswirkungen des Klimawandels zurückzuführen sind, werden wahrscheinlich längerfristig negative wirtschaftliche Folgen haben. Dazu gehören eine geringere Arbeitsproduktivität, eine langsamere Akkumulation von Humankapital, eine Verschlechterung der menschlichen Gesundheit und eine erhöhte politische Instabilität.
Der „Global Adaptation Index“ der University of Notre Dame etwa bewertet die Anfälligkeit eines Landes für den Klimawandel sowie dessen Bereitschaft, seine Widerstandsfähigkeit zu verbessern. Auch dieser Indikator belegt, dass ärmere Länder überdurchschnittlich anfällig für die Auswirkungen des Klimawandels sind.
Weniger entwickelte Volkswirtschaften sind nicht nur anfälliger für unvorhersehbare Einbrüche etwa von Ernten. Länder, die auf Grund ihrer überwiegend kolonialen Vergangenheit von Feudalstrukturen geprägt waren, leiden bis heute unter schlechterer Regierungsführung, schlechterer Gesundheit und politischer Instabilität. Diese und weitere Faktoren führen zu vergleichsweise schwerer wiegenden Konsequenzen, wenn klimabedingte extreme Wetterereignisse ärmere Länder treffen, da sich diese schlechter auf die langfristigen Auswirkungen des Klimawandels vorzubereiten vermögen.
Dass wohlhabendere Länder durch ihren Reichtum bis zu einem gewissen Grad vor den Auswirkungen des Klimawandels geschützt sind, bedeutet jedoch nicht, dass sie gegen die langfristigen Folgen immun wären. Der Klimawandel führt bereits zu verstärkten Migrationsbewegungen aus ärmeren in reichere Länder. Zunächst profitieren die Einwanderungs-Zielländer hiervon, da die Überalterung der Bevölkerung in den meisten wohlhabenderen Ländern eine Herausforderung für das Wirtschaftswachstum und die öffentlichen Finanzen darstellt; ein erhöhtes Maß an Zuwanderung trägt etwa in der EU dazu bei, dieses Problem zu lösen. Langfristig könnten reichere Länder den ärmeren hierdurch jedoch wiederum Ressourcen entziehen. Dadurch würden bestehende Ungleichheiten weiter verschärft, die in der Folge dazu führen, dass immer mehr Menschen als Auswirkung des Klimawandels ihre Heimat verlassen und in zu großen Zahlen in wohlhabendere Länder drängen.
Die Auswirkungen von Regierungsmaßnahmen
Weltweit ergreifen Regierungen Maßnahmen, um die Faktoren, die den Klimawandel vorantreiben, zu reduzieren und dessen Auswirkungen zu mildern. Diese Maßnahmen werden sich auch auf die Märkte auswirken. Privatanleger sollten sich dessen bewusst sein und sich auf diese Auswirkungen einstellen.
Kohlenstoffsteuern, Emissionshandelssysteme und Subventionen für umweltfreundliche Industrien werden die Wettbewerbsfähigkeit verschiedener Branchen auf unterschiedliche Weise beeinflussen. Initiativen zur Verringerung des Energieverbrauchs werden langfristig enorme Auswirkungen haben.
Andere Einflüsse
Die Wechselwirkungen zwischen den Märkten und der Umwelt finden nicht in einem Vakuum statt. Das Zusammenspiel geopolitischer und sozialer Kräfte, auch solcher, die nichts mit dem Klimawandel zu tun haben, erhöht ebenfalls den Bedarf an Investitionen in die für die Bereitstellung grüner Energie erforderliche Infrastruktur.
Die EU importiert derzeit etwa 60 Prozent ihrer Energie und eine Unterbrechung dieser Versorgung ist eine Ursache für Inflation und Schulden. Daher sind die europäischen Länder zunehmend um Energieautonomie bemüht. Dies bedeutet, dass fehlende grenzüberschreitende Netzverbundfähigkeit, ein volatiler Energiemarkt und mangelnde Versorgungssicherheit zu den wichtigsten energiepolitischen Herausforderungen der EU gehören.
Investitionen in die Lösung dieser Herausforderungen werden dazu beitragen, den Weg zu einem nachhaltigeren Energienetz zu ebnen. Ein besserer grenzüberschreitender Netzverbund wird beispielsweise die Energieversorgungssicherheit erhöhen und das Netz in die Lage versetzen, Schwankungen in der Energieversorgung durch Wind- und Sonnenenergie zu bewältigen.
Wie Anleger reagieren sollten
Abschließend wollen wir drei Faktoren betrachten, die Privatanleger bei ihren Überlegungen, wie sie angesichts der durch den Klimawandel bedingten Veränderungen in der Wirtschaft vorgehen sollten, berücksichtigen sollten: kurzfristige Volatilität, langfristige Abschwächung und die Chancen, die sich aus der Umstellung auf Netto-Null-Prozent ergeben.
Erstens: Kurzfristige Volatilität. Ein Bericht des IWF, der im Juni 2023 veröffentlicht wurde, zeigte, dass „Aktienkurse positiv auf marktweite klimagünstige Nachrichten reagieren, aber nicht negativ auf klimatisch ungünstige Nachrichten“. Privatanleger müssen in der Lage sein, in Echtzeit auf Ereignisse zu reagieren, die zu kurzfristigen Aufwärts- oder Abwärtsbewegungen an den Märkten führen können – deshalb ist es wichtig, dass sie in der Lage sind, Geschäfte außerhalb der normalen Handelszeiten zu tätigen.
Was die Maßnahmen zur Bewältigung der langfristigen Unvorhersehbarkeit betrifft, so gelten die üblichen vernünftigen Anlageempfehlungen: Diversifizierung trägt dazu bei, das Risiko zu minimieren und gleichzeitig die Chancen auf langfristig positive Erträge zu maximieren. Es ist auch eine Überlegung wert, ob der Wechsel zu grünen Technologien dazu führen könnte, dass Investitionen in kohlenstoffintensive Branchen an Wert verlieren. Die Bedeutung einer solchen Diversifizierung ist einer der Gründe, warum Spectrum Markets so viel Wert darauf legt, Privatanlegern Zugang zu einer größeren Palette von Produkten und Handelsmöglichkeiten zu verschaffen.
Apropos Chancen: Die gibt es auch für Privatanleger. In früheren Artikeln haben wir den Aufschwung von ESG-Investitionen erörtert: Der Übergang zu einem Netto-Null-Energieverbrauch wird zu einem Wachstum in innovativen Branchen führen und neue Anlagemöglichkeiten schaffen. Anders ausgedrückt, könnte der oft kritisierte Mangel an echten grünen Investitionsmöglichkeiten in der Vermögensverwaltungsbranche früher als erwartet der Vergangenheit angehören. Die Bank of England weist in ihrer Publikation für das vierte Quartal 2022 darauf hin, dass die Umstellung auf Netto-Null-Energie geordnet verlaufen kann, was zu einem „sanften Übergang“ führt, während ein „disruptiver Übergang“ verstärkte Auswirkungen auf die Wirtschaft haben kann. Die Anleger müssen also auf dem Laufenden bleiben, denn so sind sie besser in der Lage, Investitionsentscheidungen zu treffen, die zu ihrem finanziellen Wohlergehen in einer Zukunft beitragen, die durch die Auswirkungen des Klimawandels unvorhersehbar und unbeständig wird