Dekarbonisierung und Deglobalisierung verstärken sich in 2023

Auf dem Weg ins Jahr 2023 bleiben die globalen wirtschaftlichen und geopolitischen Aussichten unserer Meinung nach sehr ungewiss. Das Engagement für die Dekarbonisierung ist jedoch groß, und die Perspektiven für erneuerbare Energien sind nach wie vor gut. Im Juni 2022 hatten laut Merrill Lynch Länder, die insgesamt 91 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) erwirtschaften, Netto-Null-Emissionsziele festgelegt (im Jahr 2019 waren es noch 16 Prozent des BIP).

Bemerkenswert war, dass die Emissionen in Europa trotz des höheren Wirtschaftswachstums im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zwischen August und Oktober 2022 zurückgingen. Diese vielversprechende Entwicklung zeigt, dass die jüngsten Maßnahmen zur Dekarbonisierung Früchte tragen könnten. Zudem widerlegt sie die Vorstellung, dass Wirtschaftswachstum und Emissionsminderung unvereinbar sind. Auch die Politik entwickelte sich positiv, unter anderem durch die Verabschiedung des IRA in den USA und die Wahl von Luiz Inácio Lula da Silva (Lula) in Brasilien. Lula kandidierte mit dem Ziel, die Abholzung der Wälder zu stoppen und allgemein die politischen Entscheidungen rückgängig zu machen, die zu einer Verschlechterung der Umweltbedingungen in Brasilien führen.

Das Basisszenario

Dem steht unsere allgemeine Sorge gegenüber, dass die derzeitigen globalen Maßnahmen wahrscheinlich nicht ausreichen und zu spät kommen, um den Klimawandel wirksam zu bekämpfen. Wir gehen in unserem Basisszenario davon aus, dass die Welt die im Übereinkommen von Paris festgelegte Obergrenze einer Erderwärmung von 1,5 °C mit ziemlicher Sicherheit überschreiten wird, wenn nicht in erheblichem Umfang verstärkt regulierend eingegriffen wird oder Veränderungen in der Gesellschaft erfolgen. Die Bewältigung dieser wichtigen Herausforderung für die gesamte Menschheit kann weitere Handelsbarrieren und -beschränkungen zwischen Ländern schaffen, wenn sich das Engagement und die Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels regional unterscheiden. Darüber hinaus dürften die laufenden Bestrebungen zur Dekarbonisierung den Inflationsdruck über den Konjunkturzyklus verstärken, da Materialengpässe und/oder die Auferlegung höherer Steuern und regulatorischer Anforderungen die Inflation in die Höhe treiben. Unseres Erachtens sind die Themen Dekarbonisierung und Deglobalisierung miteinander verknüpft und verstärken sich sogar gegenseitig, da wir uns in ein makroökonomisches Umfeld begeben, das sich von dem der jüngsten Vergangenheit stark unterscheiden könnte.

Attraktive Sektoren aufgrund des Klimawandels

Vor diesem Hintergrund des dringenden Handlungsbedarfs sehen wir in Unternehmen mit Produkten und Dienstleistungen zur Bewältigung der globalen Herausforderung der Dekarbonisierung erhebliche Wertpotenziale. Einige davon finden wir im Industriesektor, einschließlich Unternehmen, die Anlagen für erneuerbare Energien herstellen, und insbesondere die Titel, die in den USA vom IRA profitieren. Chancen bestehen unserer Einschätzung nach auch bei Unternehmen, die sich auf Lösungen für die Energieeffizienz konzentrieren, insbesondere bei Firmen, die kurzfristig von höheren Strompreisen und langfristig von Maßnahmen zur Dekarbonisierung profitieren.

Was ansonsten die Portfoliozusammensetzung betrifft, beurteilen wir den Grundstoffsektor weiterhin optimistisch. Besonders bei Metallen, die für den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft benötigt werden, rechnen wir mit einem starken Nachfragewachstum, darunter Nickel, Lithium, Kupfer und Aluminium. Darüber hinaus erwarten wir, dass nachhaltige Verpackungslösungen wie Karton, Aluminium und recycelter Kunststoff herkömmlichen Kunststoffverpackungen weiterhin Marktanteile abgewinnen werden. Dieser Trend könnte sowohl durch die Vorlieben der Verbraucher als auch durch gesetzliche Vorschriften forciert werden.

Chancen bei Halbleiterunternehmen

Innerhalb des IT-Sektors haben wir im Laufe des Jahres erhebliche Chancen bei Halbleiterunternehmen ausgemacht, da die Bewertungen unserer Analyse zufolge attraktiver wurden. Wir sind der Überzeugung, dass sich die Möglichkeiten im Bereich der Elektrofahrzeuge erweitern: Wir sehen Wertpotenziale in Autobauern, die eine Umstellung durchlaufen und sinnvolle Veränderungen anstreben, sowie in Zulieferern, die auf den Übergang zu umweltfreundlicheren Autolösungen ausgerichtet sind.

Während sich der Marktkonsens auf das kurzfristige makroökonomische Umfeld fokussiert, legen wir langfristig in Unternehmen an. Und unserer Auffassung nach waren die Argumente für Investitionen in den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel noch nie so stark. Unserer Meinung nach sind umfassende Einbrüche, wie sie der Markt im Jahr 2022 zu verzeichnen hatte, zweifelsohne schmerzhaft, bieten aber auch die besten langfristigen Anlagechancen. Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass die Themen Dekarbonisierung und Deglobalisierung die kommenden Jahre bestimmen könnten. Daher sehen wir weiterhin erhebliche Chancen in unterbewerteten Unternehmen, die zugleich einen bedeutenden Einfluss auf die Eindämmung des Klimawandels und die Anpassung an dessen Folgen haben können.