Versicherungen und Klimaschutz: Bezahlen für Nachhaltigkeit?

Die Sparkassen DirektVersicherung plant einen Umwelttarif. Aber lediglich zwölf Prozent der Versicherten würden Klimazuschlag zahlen, denn Nachhaltigkeit rückt angesichts des Weltgeschehens in den Hintergrund.

In einer Welt voller Krisen – gerne spricht man im Moment auch von einer VUCA-Welt (volatility, uncertainty, complexity, ambiguity) – ist es schwierig, den Überblick zu behalten und die richtigen Schwerpunkte zu setzen. Die Klimakatastrophe scheint im Moment stark an Beachtung zu verlieren: Ukraine-Krieg, Inflation und Gasknappheit, aber auch die Bedrohung durch ein zunehmend aggressiver auftretendes totalitäres China dominieren eher die Diskussion. Und sie dominieren nicht nur die Diskussion, sondern auch das Verhalten der Verbraucher, denn Nachhaltigkeitsaspekte scheinen deutlich in den Hintergrund zu rücken. Das hat auch eine aktuelle Umfrage der Sparkassen DirektVersicherung eindrücklich gezeigt.

In der Umfrage ging es darum, was Kfz-Versicherte von einem Umwelttarif halten würden, der gegen Mehrbeitrag CO2-Kompensationen beinhalten würde. Es wurden vier Antwortmöglichkeiten vorgegeben.

Die Ergebnisse der Umfrage sind eindeutig: Nur zehn Prozent der Teilnehmenden würden einen Klimazuschlag von bis zu 50 Euro bezahlen wollen, zwei Prozent einen Zuschlag von mehr als 50 Euro. 74 Prozent gaben an, dass sie sich um diese Angelegenheit lieber selbst kümmerten. 14 Prozent sagten: „Die Idee ist unsinnig; CO2-Ausstoß kann man gar nicht kompensieren.“

„In der Tat: Geht es nach den ‚Klimafrage-Puristen‘, ist jede Kompensation ohnehin Augenwischerei. Nur hundertprozentige Vermeidung ist die Lösung. Also: keine Autos mehr – und damit auch keine Kfz-Versicherung“, resümiert Dr. Jürgen Cramer, Vorstandsmitglied der Sparkassen DirektVersicherung AG.

Eine mögliche Alternative könnte das Heraussaugen von CO2 aus der Atmosphäre (das sogenannte „Direct Air Capture“) sein – so wie es das Schweizer Startup Climeworks betreibt. Nur: Für eine Tonne CO2 fallen im Moment um die 600 Dollar an. Man erwartet, dass diese Kosten erst in den nächsten zehn bis zwölf Jahren auf 150 Dollar die Tonne sinken könnten.

Wenn aber das eigene, für Fahrten zum Arbeitsplatz unverzichtbare Auto mit der dazugehörigen Jahresfahrleistung beispielsweise vier Tonnen CO2 in die Luft bläst, dann ist die Elimination von CO2 mittels Direct Air Capture mit in diesem Fall 2.400 Dollar pro Jahr um ein Vielfaches teurer als die Kfz-Versicherung selbst.

Gute Entscheidungen treffen

Die Kunst ist also, die richtige Mitte zu finden. Unrealistische Maximalforderungen nach kompletter Vermeidung von CO2-Emissionen (das hieße Stilllegung aller Autos) helfen genauso wenig wie Greenwashing, also Aktionismus für das eigene Image ohne tatsächliche Wirkung. Es kann nur ein ehrlicher, sinnhafter Ansatz der Kompensation sein, der bei diesem Problem des CO2-Ausstoßes durch Autos tatsächlich hilft.

Dass laut Umfrage nur zwölf Prozent der Kfz-Versicherten bereit sind, die Lösung des Klimaproblems durch Zahlung höherer Beiträge mit anzugehen, ist natürlich bedauerlich. Aber dieser Wert passt zum Ergebnis anderer jüngst veröffentlichter Studien.

Das Deutsche Institut für Lebensmittelqualität berichtete kürzlich, dass die steigenden Preise momentan das Kaufverhalten dominierten. In einer repräsentativen Online-Umfrage gaben fast 70 Prozent an, deutlich mehr Geld für Essen auszugeben als vor dem Ukraine-Krieg. Beim Einkaufen achte man daher verstärkt auf Sonderangebote und günstige Lebensmittel. Für einen Teil der Menschen seien Klima- und Umweltschutzaspekte in den Hintergrund gerückt.

Eine Befragung von Yougov im Auftrag von Bearingpoint – speziell bezogen auf Versicherungen – zeigte, dass die Kundschaft das Thema Nachhaltigkeit sehr wohl schätzt. Nur mehr kosten darf es nicht. Und: Das Thema Nachhaltigkeit wird unwichtiger. 2021 fanden noch 71 Prozent der deutschen Verbraucherinnen und Verbrauchern, dass Versicherungsunternehmen mit ihren Produkten nachhaltiges Verhalten fördern sollten, 2022 waren es nur noch 53 Prozent. Ein klarer Absturz in puncto Bedeutung. 32 Prozent wären bereit („eher ja“ war die Antwortvariante), für mehr Nachhaltigkeit auf Versicherungsleistungen zu verzichten, 27 Prozent würden für mehr Nachhaltigkeit eine höhere Prämie zahlen.

Natürlich könnte es sein, dass unter den 74 Prozent der Kfz-Versicherten, die bei der eingangs genannten Umfrage mit „Um diese Angelegenheit kümmere ich mich lieber selbst“ antworteten, sich viele befinden, die in der Tat aus eigener Kraft Klimakompensationen vornehmen. Effizienter erscheint allerdings eine Bündelung der Aktivitäten.

Ziel der Sparkassen DirektVersicherung ist es, mit dem Umwelttarif einen wirksamen Mechanismus zu entwickeln, der Kompensationen in Abhängigkeit vom individuellen CO2-Ausstoß vorsieht. Diese Kompensationen sollen idealerweise über passend ausgewählte, auf Herz und Nieren geprüfte Projekte erfolgen. Cramer hat dazu klare Vorstellungen: „Sobald wir an den Start gehen, werden wir die Herausforderung annehmen, möglichst viele Kundinnen und Kunden für einen Umwelttarif zu begeistern. Wir alle sind aufgerufen, in unserem jeweiligen Bereich und nach individuellen Möglichkeiten einen Beitrag im Sinne des Klimaschutzes, einer gemeinsamen Zukunft und für die Kinder der Welt zu leisten – der Umwelttarif soll ein Beitrag der Sparkassen DirektVersicherung sein“.