Transition Finance

Transition Finance: Ohne Ambition gibt es keine Transformation

Transition Finance: Treiber von Nachhaltigkeit im Finanzwesen ist der Regulator. Er spielt für das Gelingen der sozial-ökologischen Transformation eine – wenn nicht die zentrale Rolle. Nur verliert er sich schnell in Regulierungsdetails, die sich den Finanzmarktteilnehmern nicht immer als zielführend erschließen. Diese Entwicklung entbindet die Finanzmarktakteure allerdings nicht von ihrer Verantwortung, ihr Nachhaltigkeitsambitionsniveau festzulegen und transparent zu machen.

Zweite Hälfte der Regulatorik-Dekade im Blick

Die Finanzwirtschaft ist derzeit vor allem herausgefordert, regulatorische Anforderungen abzuarbeiten. Dabei geraten die Konzeption und Weiterentwicklung eigener Nachhaltigkeitsansätze mehr und mehr ins Hintertreffen. Fakt ist, dass die Finanzbranche in punkto Nachhaltigkeit heute weit mehr gestaltet wird, als dass sie selbst gestaltet. Die Regulatorik-Dekade Sustainable Finance von 2018 bis 2028 vor Augen, treiben die Finanzwirtschaft aktuell viele unbeantwortete Fragen. Dem Regulator gelingt es zudem immer weniger, die Sinnhaftigkeit einzelner Rechtsvorhaben zu vermitteln. Er verliert sich vielmehr im Klein-Klein technischer Expertise. Die Chance, berechtigte Vorhaben im Sinnzusammenhang der Nachhaltigkeitsdebatte zu verorten, wird dadurch häufig verspielt. Mögliche legitimatorische Ausgangs- und Zielpunkte regulatorischen Handelns, wie die SDGs, das Pariser Klimaabkommen, die plantaren Grenzen oder die Große, sozial-ökologische, Transformation verschwimmen und verlieren an Schlagkraft.

 Sustainable Finance versus Transition Finance?

Dr. Helge Wulsdorf, Bank für Kirche und Caritas eG Trasition Finance

Autor: Dr. Helge Wulsdorf ist Sozialethiker, Diplomtheologe, Bankkaufmann, Leiter Nachhaltige Geldanlagen bei der Bank für Kirche und Caritas, Vorstandsmitglied im Forum Nachhaltige Geldanlagen, Dozent an der EBS Business School und Mitglied des Sustainable-Finance-Beirats der Bundesregierungund zudem stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Bischöflichen Aktion Adveniat.

Zweifelsohne hat die Regulatorik Sustainable Finance (SF) den Weg geebnet. Sie hat eine bis dahin nicht gekannte Dynamik entfacht, wozu die Finanzwirtschaft aus sich heraus nicht willens war. Einmal mehr hat sich zeigt, dass sich mit Appellen und gutem Willem allein negative soziale und ökologische Effekte kaum verhindern und positive fördern lassen. Einiges von dem, was die Regulatorik mit ihrem Aktionsplan Sustainable Finance 2018 beabsichtigt hat, dürfte sich nur schwer, wie gewollt, erfüllen. Finanzprodukte werden umgelabelt in Richtung weniger Nachhaltigkeit, die Nachhaltigkeitspräferenzabfrage wird ausgehebelt und es ist noch lange keine ausgemachte Sache, dass die für die Große Transformation erforderlichen Kapitalströme auch in die richtigen Kanäle gelenkt werden. Nachhaltigkeit und Transformation dürfen folglich nicht gegeneinander ausgespielt werden. Ziel muss ein auf Transformation ausgerichtetes nachhaltiges Finanzwesen sein. Nur so lassen sich die internationalen Klima- und Nachhaltigkeitsziele erreichen.

Pauschales Regulatorik-Bashing nicht zielführend

Sicher greift es zu kurz, dem Regulator den Schwarzen Peter für die derzeitige Situation pauschal in die Schuhe zu schieben. Bestimmt lässt sich trefflich darüber streiten, ob Politik und Aufsichtsbehörden Sustainable Finance in der bislang vorgelegten Regulierungsdichte und -tiefe durchbuchstabieren müssen. Auch zeigt sich, dass „EU-juristische Trockenübungen“ die Finanzpraxis schnell vor zunächst unlösbare Aufgaben stellen. Überdies wird lediglich in standardisierten Kategorien für nachhaltige Finanzprodukte gedacht; individualisierte Nachhaltigkeitsansätze bleiben auf der Strecke. Und es ist ein EU-Versagen, die Soziale Taxonomie nicht anzugehen. Die vereinseitigende Fokussierung auf grüne und Klimathemen hält schlussendlich dem ganzheitlichen Nachhaltigkeitsanspruch nicht Stand. Diesen Mangel können auch die abgeschwächte EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) und die Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) nicht wettmachen. Der Regulator steht in der Verantwortung, Sinn, Zweck und Ziel seiner Rechtsanforderungen fortwährend zu veranschaulichen.

Nachhaltiges Ambitionsniveau entscheidend

Unabhängig davon, ob und wie der Regulator seine Rolle und sein Selbstverständnis füllt, tragen die Finanzmarktakteure Verantwortung für die Nachhaltigkeit ihrer Finanzentscheidungen. Unumstößlich ist, dass das Finanzwesen zentraler Hebel für die Große Transformation und somit eine nachhaltige Entwicklung ist. Der schmale Grat zwischen regulatorischer Anforderung und Überforderung darf jedoch nicht dazu führen, das Thema auf die lange Bank zu schieben. Aufgabe jedes Finanzmarktteilnehmers ist es festzulegen, wie ambitioniert er Nachhaltigkeit umsetzen, und dies in seinen betrieblichen Funktionen, Prozessen und Strukturen widerspiegeln will. Die Transparenz des Nachhaltigkeitsniveaus und das Unterbinden von Greenwashing sind zwei zentrale Gestaltungselemente von Sustainable Finance, um welche insbesondere die Aufsichtsbehörden wissen. Das Risiko, schnell am Nachhaltigkeitspranger zu stehen, ist daher nicht nur bei Marketingstrategen auf dem Radar.

Kernbestandteil der Gesamtbanksteuerung

Nachhaltigkeit ist als Querschnittthema mittlerweile in nahezu allen Betriebsbereichen angekommen. Um die erforderlichen Kapitalvolumina in nachhaltige Finanzprodukte lenken zu können, ist nicht nur auf die Nachhaltigkeit von Investments zu schauen, sondern auch auf nachhaltige Finanzierungen. Sie sind gleichermaßen zentrale Grundlage der sozial-ökologischen Transformation, denn mit ihnen lassen sich ebenfalls positive Nachhaltigkeitseffekte erzielen und negative verhindern. Auch für die Kreditvergaben ist das Ambitionsniveau festzulegen und der Blick für die Ziele der sozial-ökologischen Transformation weiter zu schärfen.

 

 

 

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