Green Deal: Sustainable Finance nimmt Einzug in die Finanzwelt

Die weltweite Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung auf ökonomischer, sozialer und ökologischer Ebene bildet die Grundlage der sogenannten Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen (Agenda 2030). Mit 17 konkret formulierten Nachhaltigkeitszielen definiert die internationale Staatengemeinschaft damit die „Grundlage für den Schutz der ökologischen Lebensgrundlagen als Voraussetzung für soziale Stabilität und ökonomische Prosperität“.

Zusammen mit der Green Deal Initiative der EU werden damit eine Reihe von nationalen Gesetzen und Maßnahmen definiert, die den Wandel hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft begleiten sollen. Diese Transformation läutet auch in der Finanzwelt eine neue Ära ein: Sustainable Finance.

Die Rolle der Finanzintermediäre

Die EU-Kommission schätzt den Investitionsbedarf für eine klimafreundliche Energieinfrastruktur in der EU bis 2030 auf rund 180 Milliarden Euro, für die Umsetzung der Klimaziele weitere 260 Milliarden pro Jahr. Um die ambitionierten Ziele zu erreichen, kommt dem Finanzsektor eine Schlüsselrolle zu: Er soll die Transformation hin zu einer ökologischen und nachhaltigen Entwicklung durch rechtsverbindliche Verordnungen und Berichtspflichten begleiten und die Bereitstellung der notwendigen Finanzmittel für den strukturellen Umbau unterstützen. Durch die gezielte Steuerung und Kanalisierung von Kapitalströmen sowie die Bewertung von Nachhaltigkeitsrisiken werden sie in die Pflicht genommen, den Wandel maßgeblich zu beschleunigen.

Die regulatorische Komponente

Nachhaltigkeit hat viele Gesichter und beschränkt sich nicht nur auf die großen Herausforderungen Klima und Ökologie. Dennoch genießt eine Komponente im Finanzwesen besondere Aufmerksamkeit: die EU-Taxonomie. Als regulatorisches Klassifizierungssystem bildet sie die aufsichtsrechtliche Grundlage und definiert die fachlichen Bewertungsebenen nachhaltigen Wirtschaftens. Als Regelwerk umfasst sie sechs klar definierte Umweltziele:

  • Klimaschutz
  • Anpassung an den Klimawandel
  • Nachhaltige Nutzung sowie Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
  • Übergang zur Kreislaufwirtschaft
  • Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
  • Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und Ökosysteme

Der Kriterienkatalog soll eine transparente und einheitliche Berichterstattung und Steuerung der wirtschaftlichen Aktivitäten gewährleisten. Durch konkrete Transparenz- und Berichtsanforderungen soll damit der Gefahr des „Greenwashing“ vorgebeugt und einer Fehlsteuerung von Investitionen entgegengewirkt werden.

Digitalisierung und Nachhaltigkeit

Deutschland trägt als eine führende Industrienation eine besondere Verantwortung für den globalen Klimawandel. Die Bundesrepublik hat sich daher das Klimaziel gesetzt, bis 2030 55 Prozent weniger Treibhausgase als 1990 auszustoßen. In Anbetracht der aktuellen Herausforderungen im Kontext des Ukraine-Krieges und der damit verbundenen Energiekrise wird die Einhaltung dieses ambitionierten Ziels bei gleichzeitiger Sicherung des Energiebedarfs zu einer Herausforderung. Daher müssen alle Optionen und Beschleuniger in Erwägung gezogen werden, um diesen vermeintlichen Trade-off aufzulösen. Die Digitalisierung kann dazu einen Beitrag leisten. Im Rahmen eines Forschungsprojektes untersucht der Bitkom die Klimaeffekte der Digitalisierung, um den Beitrag digitaler Technologien zum Klimaschutz abzuschätzen und liefert interessante Ergebnisse.

Laut Studie können digitale Technologien bei einer beschleunigten Digitalisierung ein Einsparpotential von 58 Prozent zur Erreichung des Klimazieles 2030 generieren (moderate Digitalisierung 39%). Gleichzeitig verursacht die Bereitstellung der digitalen Infrastruktur durch die Produktion, Nutzung und Entsorgung im Jahr 2030 ein CO2-Äquivalent (CO2-e) von etwa 16-22 Megatonnen CO2. Das dabei ermittelte CO2-e-Einsparpotential (CO2e-Nettoeffekt) digitaler Technologien abzüglich des CO2-e-Fußabdrucks beträgt bei beschleunigter Digitalisierung 49 Prozent  und bei moderater Digitalisierung 33 Prozent  der notwendigen Emissionseinsparungen im Jahr 2030. Die Studienergebnisse liefern damit plausible Hinweise auf einen positiven Zusammenhang zwischen Digitalisierungsbemühungen und Klimazielen: Die digitale Transformation kann eine Hebelwirkung zur Erreichung der Klimaziele erzeugen.

Green Tech und Green IT

Unter den Begriffen Green Tech und Green IT entstehen neue Trends und Geschäftsmodelle, die die Verbindung von Umwelt, Wissenschaft, Technik und Wirtschaft neu definieren.

Green Tech als Schlüssel- oder Querschnittstechnologie befasst sich mit der Entwicklung ressourcenschonender Technologien und definiert einen Technologiewandel im Einklang mit Umwelt- und Klimazielen. Im Vordergrund stehen Produktions-, Prozess- und Verfahrenstechniken, die sich gegenüber bewährten Technologien als besonders nachhaltig erweisen.  Dieser Trend wird in Zukunft verstärkt Konsum- und Investitionsentscheidungen beeinflussen. Denn Produkte und Technologien werden sich künftig stärker an ihrer Energiebilanz messen lassen müssen, das heißt, der Nutzen einer Technologie wird zunehmend unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit bewertet. Auch in der Informations- und Kommunikationstechnik sind ressourcenschonende Technologien auf dem Vormarsch und werden unter dem Begriff Green IT zusammengefasst. Im Fokus steht dabei die umwelt- und klimaschonende Gestaltung der Informations- und Kommunikationstechnik. Der Einsatz von IT und ihr langfristiger Nutzen werden dabei verstärkt an ihrem Klimabeitrag gemessen.

Digitale Arbeitsplätze im Banking

Die Gestaltung des Bankarbeitsplatzes ist eine wichtige Komponente für mehr Nachhaltigkeit in der Leistungserstellung. Gerade im Finanzwesen, das stark von wiederkehrenden und massenhaft anfallenden Arbeitsabläufen geprägt ist, können durch den Einsatz moderner Technologien Verbesserungspotentiale gehoben werden. Denn veraltete Technologien, unflexible Systemlandschaften und langwierige Arbeitsprozesse verursachen hohe Ressourcenaufwände und haben einen spürbaren Einfluss auf die Ökobilanz.  Durch die Ablösung manueller, papierbasierter Prozesse, sowie die Modernisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, lassen sich konkrete Wertbeiträge für mehr Ressourceneffizienz erzielen.

Fazit: Sustainable Finance wird das Banking der Zukunft prägen. Für Finanzdienstleister ergeben sich neben Kunden- und Marktanforderungen auch Chancen für neue Geschäftsmodelle. Die nachhaltige Gestaltung des Bankbetriebes wird sich in der Zukunft zu einem Wettbewerbsvorteil entwickeln.

Autor

  • Nehir Safak-Turhan ist als Senior Business Developer bei adesso SE tätig. Auf Basis ihrer über 20-jährigen Berufserfahrung in der Banken- und IT-Branche besitzt sie Erfahrungen in den Disziplinen Innovationsmanagement, Digitale Transformation und Strategisches Business Development. Sie verfügt über Führungserfahrung im Bereich strategische Geschäftsfeldplanung und Unternehmensentwicklung, die sie bei einer Privatkundenbank gesammelt hat. Nehir ist diplomierte Volkswirtin und war als Dozentin an verschiedenen Hochschule tätig. Ihre Dozententätigkeit umfasst u. a. die Bereiche Volkswirtschaft, Strategisches Management und Innovationsmanagement.

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