Nachhaltigkeit im Finanzsektor: Ohne Digitalisierung geht’s nicht

90 Prozent der Risikomanager und Vorstände sind sich einig: Der Klimawandel stellt für die Finanzbranche ein erhebliches Risiko dar. Der Druck, gewissenhafter ihrer ESG-Verantwortung (Environmental – Social – Governance) nachzukommen, steigt. Dabei kann eine solide Digitalstrategie helfen.

Laut der elften, jährlich durch EY und IIF durchgeführten Risikomanagement-Umfrage könnte es für Banken und Finanzdienstleister in den nächsten fünf Jahren eng werden. Der Klimawandel hat auch ihre Zukunft fest im Griff – sowohl physische Risiken als auch Transitionsrisiken werden einen maßgeblichen Einfluss auf die Branche haben.

Zur Erklärung: Physische Risiken umfassen klimabedingte Entwicklungen und Vorfälle. Dazu zählen zum Beispiel Extremwetterereignisse wie schwere Stürme oder Hochwasser, die je nach Standort immer häufiger auftreten. Im Zuge dessen kann es zu erheblichen Schäden am Bankeigentum und an Gebäuden kommen oder sogar die Kunden selbst betreffen. Transitionsrisiken auf der anderen Seite entstehen während des Umstiegs auf einen nachhaltigeren, kohlenstoffärmeren Betrieb – zum Beispiel, wenn sich Finanzeinrichtungen Umwelt- und Energiezertifikate ausstellen lassen, in nachhaltigkeitsfördernde Technologien investieren oder ihre Standorte energieeffizienter machen.

Auch die Erwartungshaltung der Regierung, der Mitarbeiter und der Kunden spielt dabei eine entscheidende Rolle.

Steigender Druck von allen Seiten

Banken und Finanzdienstleister sehen sich einer stetig wachsenden Regulierungslandschaft gegenüber, die darauf abzielt, die Themen Nachhaltigkeit und ESG auch in diesem Sektor voranzutreiben. Dafür definieren und ergänzen sowohl die EU als auch die Bundesregierung – und im Speziellen die BaFin – laufend Gesetze und Richtlinien, die dem Finanzsektor den Weg in Richtung nachhaltige Finanzwirtschaft vorgeben, damit die festgelegten Nachhaltigkeitsziele erreicht werden. Dabei steht nicht nur das Risikomanagement allgemein im Mittelpunkt, sondern auch die Prozesse sowie technische Lösungen, mit deren Hilfe die Branche Risiken und potenzielle Folgen minimieren können.

Die Meinung der Belegschaft zu Nachhaltigkeitsthemen kann ebenfalls einen Einfluss auf die Zukunftsbeständigkeit von Finanzeinrichtungen haben. Stepstone hat 12.000 Beschäftigte befragt, worauf sie bei ihrem Arbeitgeber Wert legen. 76 Prozent erwarten, dass sich ihr Unternehmen offenkundig für Nachhaltigkeit einsetzt. Handelt es entgegen dieser Überzeugung, indem es zum Beispiel umweltschädliche Maßnahmen und Projekte unterstützt, würde ein Drittel der Befragten sogar über den Ausstieg nachdenken. Und nicht nur im Falle eines Jobwechsels würde über die Hälfte nach einem Arbeitgeber mit hohem Nachhaltigkeitsbewusstsein suchen. Auch der Nachwuchs (48 Prozent) achtet laut einer Umfrage bei der Wahl des zukünftigen Arbeitgebers auf dessen Einstellung zu ESG-Themen.

Neben der Gesetzeslage und den Erwartungen der eigenen Mitarbeiter müssen Banken und Finanzdienstleister seit Kurzem die Nachhaltigkeitsanforderungen der Kunden in ihre Leistungen einfließen lassen. Angesichts der wachsenden medialen Aufmerksamkeit, die das Thema aufgrund von extremeren Wetterverhältnissen und Protestaktionen erhält, erwartet der Ottonormalverbraucher ein aktives Engagement auf wirtschaftlicher Ebene. Davon ist der Finanzsektor nicht ausgeschlossen. Das bestätigt auch eine aktuelle Untersuchung von Bitkom: Für Kunden ist es demnach unter anderem wichtig, dass sich ihre Bank für mehr Nachhaltigkeit einsetzt. Andernfalls sind sie dazu geneigt, einen alternativen Anbieter zu suchen, der diesen Erwartungen gerecht wird. Hier können sich Finanzeinrichtungen kaum Fehler erlauben, da sich Filialbankkunden immer häufiger zu einem Wechsel verleiten lassen.

 ESG-Themen mittels Digitalisierung angehen

Dieser steigende Druck macht es Vertretern der Finanzbranche nicht gerade einfach, allen Erwartungen gleichzeitig und in vollem Umfang zu entsprechen. Allerdings können sie es sich nicht leisten, einen dieser Faktoren zu vernachlässigen. Für Banken und Finanzdienstleister bedeutet das konkret, dass sie eine robuste ESG-Strategie entwickeln müssen. Wichtige Bestandteile dieser Strategie sind „grünere“ Betriebsabläufe und digitale Lösungen.

In einem ersten Schritt ist eine proaktive Umstellung auf umweltfreundliche Prozesse gefragt. Auch wenn es keine Allgemeinlösung für alles gibt, können Finanzeinrichtungen bereits mit kleinen Änderungen eine große Wirkung erzielen – zum Beispiel, indem sie Abstriche beim Papier machen. Wenn es um bürokratische Abläufe geht, verlassen sich deutsche Unternehmen nicht selten auf eine physisch greifbare Dokumentation. Das ist nicht nur ineffizient, sondern auch alles andere als nachhaltig. Vielmehr gilt es, auf digitale Prozesse umzusteigen. Das fördert ebenfalls ein produktives und effizientes Arbeitsumfeld, da sämtliche Leistungen und Angebote digital miteinander vernetzt sind. Davon profitieren Mitarbeiter und Kunden gleichermaßen. Der Einsatz nachhaltigkeitsfördernder Technologien ist dabei essenziell.

Ganz im Sinne der eigenen (und übergreifenden) Nachhaltigkeitsziele müssen auch die Leistungen und Produkte einer Finanzeinrichtung den entsprechenden Anforderungen genügen. Das schließt Investoren, Partner und Kunden mit ein – auch sie sollten idealerweise dieselben Nachhaltigkeitsansprüche verfolgen. So sind „grüne“ Kredite mittlerweile Teil des Leistungsangebot vieler Banken. Dabei profitieren vor allem jene Kunden von besseren Konditionen, die damit in Nachhaltigkeit investieren wollen oder selbst nachhaltig handeln. Dafür brauchen Finanzeinrichtungen einen transparenten Einblick in jede einzelne Station der hauseigenen Lieferkette. Diesen erhalten sie zum Beispiel mithilfe digitaler Lieferkettenlösungen.

Eine zusätzliche Customer-Lifecycle-Information-Management-Lösung (CLIM) sammelt alle Kundendaten aus unterschiedlichen Quellen an einem zentralen Ort. Dadurch erhalten Banken und Finanzdienstleister einen besseren, transparenteren Eindruck davon, was ihre Kunden wollen und erwarten – einschließlich rund um das Thema Nachhaltigkeits- und ESG-Engagement. Dementsprechend können sie ihren Kunden Leistungen und Produkte anbieten, die noch gezielter auf ihre Präferenzen ausgerichtet sind.

Fazit

Der Finanzsektor steht – wie alle anderen Branchen auch – in der Verantwortung, Maßnahmen zu ergreifen, die der Umwelt und dem Klima zugutekommen. Wenn Finanzeinrichtungen bei alten, analogen und unökonomischen Gewohnheiten bleiben, wird es ihnen nicht gelingen, ihren CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Nicht nur das: Angesichts des steigenden Drucks, der vom Gesetzgeber, von den eigenen Mitarbeitern sowie den Kunden ausgeht, besteht dringender Handlungsbedarf. Erst wenn Banken und Finanzdienstleister proaktiv ihre Betriebsabläufe digitalisieren und ihre Leistungen nachhaltiger gestalten, können sie ihrer ESG-Verantwortung effektiv nachkommen. Ab dann ist der Weg zu „Sustainable“ Finance nicht mehr weit.