Nachhaltige Financial Services – jetzt endlich ernsthaft!

Wir von Finnoconsult führen seit mehr als sieben Jahren mit dem Finnoscore User Experience Benchmarkings durch, mittlerweile bei mehr als 220 Retail- und Privatbanken und 70 Versicherungen mit Schwerpunkt D.A.CH. Dabei justieren wir jedes Jahr die Bewertungskriterien anhand neuer Trends sowie Entwicklungen in den Märkten.

In den letzten beiden Jahren haben wir sehr positive Entwicklungen zum Thema „nachhaltige Financial Services“ beobachtet. Deshalb ist seit Ende 2021 die Bewertungsdimension „Nachhaltigkeit“ Teil unserer jährlichen Studien. Mit Blick auf Deutschland und Schweiz ist hier zu beobachten, dass immer mehr – vor allem etablierte – Banken auf eine größere Sichtbarkeit ihrer Nachhaltigkeitsinitiativen setzen.

Es ist erfreulich zu beobachten, dass mittlerweile viele Banken die Wichtigkeit des Themas erkannt haben. So setzen mittlerweile mehr als die Hälfte der 60 von uns analysierten Institute in Deutschland und der Schweiz auch sichtbar auf entsprechende Initiativen zum Beispiel mit speziellen Produkten oder Engagements der Mitarbeiter:innen. Im internationalen Vergleich tun dies lediglich 29 Prozent der Banken. Die deutschen und schweizerischen Banken geben hier den Ton an! Während es vor ein paar Jahren den meisten Instituten noch ausreichte, im Geschäftsbericht über ESG zu sprechen, so gibt es mittlerweile deutlich weitreichendere Initiativen, von denen ich einige kurz erläutern möchte.

ING:

Die ING Deutschland stellt ausführliche Informationen über ihre Nachhaltigkeits-Initiativen vor. Hierzu gehören die aktive Unterstützung des ehrenamtlichen Engagements der Mitarbeiter:innen (“FAIRantwortung”) und die Entwicklung von Produkten, die die Nachhaltigkeit fördern. Bis vor Kurzem erfolgte dies auch prominent auf der Startseite. Mittlerweile ist der Zugang zu diesen Informationen unverständlicherweise im Footer-Bereich versteckt.

Basellandschaftliche Kantonalbank:

Die BLKB als eine der führenden und progressivsten Kantonalbanken der Schweiz, ist gerade dabei, vielen anderen Banken im D.A.CH.-Raum eine Steilvorlage im Bereich Nachhaltigkeit zu liefern: Mit Radicant wird gerade eine digitale Tochterbank gebaut, die sich strikt der Einhaltung der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele verschrieben hat. Gerade in einem sehr umkämpften Finanzplatz wie der Schweiz ist dies möglicherweise ein zielführender Hebel, um sich von der großen Menge an Mitbewerbern abzuheben. Man darf der Neobank schon jetzt für den baldigen Start die Daumen drücken.

Globalance:

Mit dem Motto „Liegt ihr Geld noch oder bewegt es schon die Welt?“ tritt die Schweizer Globalance im Bereich Financial ESG Literacy an, einiges im Markt zu bewegen. Sie setzt dabei neben einer sehr gut gemachten Footprint-Messung auf regelmäßige, hochqualitative Reports. Diese sollen komplexe Zusammenhänge und insbesondere die wesentlichen Hebel zur Erreichung der Klimaziele verständlicher machen.

BNP Paribas:

Im Segment der deutschen Privatbanken ist die BNP Paribas aktuell in unserem Ranking ganz vorne dabei, weil sie eine Fülle von Nachhaltigkeitsinitiativen inklusive der BNP Paribas Stiftung prominent auf ihrer Website kommuniziert. Die Vielfalt der Maßnahmen und die Transparenz in der Kommunikation können aus unserer Sicht als echtes Vorbild für viele andere Banken dienen.

VR-Gruppe:

Auch die VR-Gruppe kommt ihrem genossenschaftlichen Auftrag im Bereich der Nachhaltigkeit immer stärker nach. Bereits auf der Mainpage der Gruppe sind entsprechende Initiativen zu finden. Doch auch hier gibt es Verbesserungsbedarf bei der Kommunikation und Sichtbarkeit der Initiativen einzelner VR-Banken.

Direktbanken:

Spannend, dass manche Direktbanken noch gar keinen Zugang zum Thema Nachhaltigkeit gefunden haben. Insbesondere der frühere Branchenprimus N26 wirkt hier zunehmend aus der Zeit gefallen. Obwohl eigentlich auf der Hand liegt, dass die Hauptzielgruppen von N26 auch eine hohe Affinität zum Thema Nachhaltigkeit haben sollten (Stichwort „last Generation“), pusht die Bank weiterhin die gleichen Themen wir schon vor fünf Jahren: Erleichterung im Alltag, Lifestyle, Krypto.

Abgesehen davon, dass es nach wie vor keine hochwertigeren Anlageprodukte gibt, weisen die Blog-Beiträge nicht einmal entsprechende Berichte zum Thema Nachhaltigkeit auf.

Fazit: Nachhaltigkeit – jetzt endlich ernsthaft!

Das Thema Nachhaltigkeit erfährt bei vielen Banken zunehmend an Bedeutung. Es scheint sich die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass Geld nicht nur eines, sondern das wesentlichste Instrument ist, um das Verhalten in der Masse zu verändern. Entsprechend nehmen Banken und Versicherungen ihre besondere gesellschaftliche Verantwortung wahr.

Schade ist, dass selbst im Jahr 2022 noch immer viele Banken – immerhin 50 Prozent in unserem Finnoscore Sample – das Thema Nachhaltigkeit noch gar nicht oder zumindest nicht sichtbar auf der Agenda haben.