Erneuerbare Energien CO2

Klimaneutral gibt es (fast) nicht – Klimaschutz schon

Klimaneutral-Claims führen Verbraucher in die Irre, und es ist gut, dass sie rechtlich beschränkt werden. Trotzdem dürfen wir deshalb nicht von einem Extrem ins andere rutschen und grüne Finanzprodukte ganzheitlich verteufeln, denn realistisch betrachtet führt kein Weg an privat finanziertem Klimaschutz vorbei. Es ist unsere Pflicht, mit Greenwashing aufzuräumen und Vertrauen zu schaffen.

Seit einigen Monaten sind Klimaneutralitäts-Skandale und Greenwashing-Eklats ein ständiges Thema in den Medien. Das Resultat: Investoren und Verbraucher fühlen sich betrogen. Entsprechend wurde sich auf ein vorläufiges Anti-Greenwashing-Gesetz in der EU geeinigt. Darin enthalten ist auch die Einschränkung der Verwendung des Begriffs „klimaneutral”. Und das ist großartig! Klimaneutral-Claims müssen verschwinden, denn sie täuschen uns. Es gibt so gut wie keine klimaneutralen Produkte. Sind Treibhausgase wie CO2 erst einmal ausgestoßen, bleiben sie Jahrhunderte in der Atmosphäre. Wir können sie reduzieren oder aus der Atmosphäre ziehen – neutralisieren können wir sie allerdings nicht.

Die positiven Entwicklungen rund um die Begriffseinschränkung bringen allerdings Diskussionen mit sich, die einen gravierenden Schritt zu weit gehen: Alle Klimaschutz-Projekte, in die Unternehmen mithilfe von Zertifikaten investieren können – egal wie transparent –, leiden unter dem verursachten Mangel an Vertrauen. Das bringt uns vom einen Extrem ins andere und ist absolut kontraproduktiv für die so wichtige Thematik. Nachhaltiges Engagement von Unternehmen darf nicht nur am Verbraucher orientiert als Marketingmaßnahme gedacht werden.

Der Bedarf ist riesig

Tatsache ist: Wir müssen mehrere Milliarden Tonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernen, um das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen – und das kostet. Laut UN-Berichten brauchen wir bis 2050 schätzungsweise bis zu 500 Milliarden Euro jährlich für die Klimafinanzierung. Doch woher soll das Geld kommen? Ausschließlich von Staaten, NGOs oder Fonds ist unrealistisch. Klimafinanzierung ist ein komplexes Thema und wir brauchen sowohl öffentliche als auch private Gelder, um sie stemmen zu können. Wenn wir also pauschal Kompensationszahlungen durch Zertifikate schlechtreden, ist damit niemandem geholfen. Am wenigsten uns selbst.

Zum Glück gibt es vielversprechende Lösungen für effektiven Klimaschutz: Naturbasierte Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre durch Aufforstungsprojekte kann bereits heute umgesetzt werden und hilft dabei auch, die Biodiversität wieder herzustellen und zu erhalten. Auch maschinelle Absaugung von CO2 ist eine valide Möglichkeit, die Technologie hat allerdings noch großen Entwicklungsbedarf. Es muss also gelingen, transparente und effektive Finanzierungsmöglichkeiten für diese Lösungen zu schaffen. Etwa durch Zertifikate, Anleihen oder weitere Beteiligungsformen.

Jenseits der Wertschöfpungskette

Wichtig und entscheidend ist, dass Klimaschutz-Investitionen dabei nicht bloß als willkommenes Mittel zur Kompensation verstanden werden, sondern als langfristige Investitionen jenseits der eigenen Wertschöpfungskette. Die Science Based Targets Initiative hat dafür einen passenden Begriff und nennt es „Beyond Value Chain Mitigation“.

Solche Investitionen über reine Kompensation hinaus – zum Beispiel in Carbon Removal und Biodiversity –, werden langfristig auch den Unternehmen zugutekommen. Nicht nur erhalten sie damit ihre Lieferketten und eine Umwelt, in der überhaupt vernünftig gewirtschaftet werden kann. Auch Verbraucher werden zukünftig immer genauer hinsehen, welche Unternehmen es wirklich ernst meinen und tatsächlich Verantwortung übernehmen. Die Bewertung von Unternehmen am Kapitalmarkt wird zukünftig entscheidend davon abhängen, wie viel Grün tatsächlich drin steckt. Unternehmen mit einem negativen Hand- und Fußabdruck auf die Umwelt, werden hohe Verluste hinnehmen müssen.