„Jedes Haus sollte sich Gedanken über seine individuelle Strategie machen“

Die Sutor Bank wurde 1921 gegründet, um Hamburgischen Kaufleuten auf dem Weg nach Übersee zu helfen, zu Hause ihre Werte zu bewahren und zu schützen. Im Interview spricht Mathias Beil, Leiter Private Banking, über die Position der Bank zum Thema Sustainable Finance.

Wie würden Sie Sustainable Finance definieren, bzw. wie ist hierzu die Definition Ihres Hauses?

Mathias Beil: Durch Sustainable Finance sollen ökologische und soziale Risiken für Kapitalgeber und Kapitalnehmer reduziert und das Wirtschaftswachstum langfristig gesichert werden. So die Theorie. Im Anlageausschuss der Vermögensverwaltung der Sutor Bank beziehen wir ESG-Aspekte bei der Titelauswahl ein. Das bedeutet, dass wir zunächst Branchen identifizieren, denen wir eine überproportionale Wertentwicklung zutrauen. Innerhalb der Branchen helfen uns Bewertungsmodelle bei der Aktienauswahl. Hier entsteht dann eine Short List von Einzelwerten. Als letzten Aspekt berücksichtigen wir dann eine ESG-Bewertung anhand eines Scores.

Mathias Beil, Leiter Private Banking der Sutor Bank

Mathias Beil, Leiter Private Banking der Sutor Bank

Ist es erforderlich, eine eigene Sustainable-Finance-Strategie zu entwickeln?

Nach meiner Auffassung gibt es nicht die eine Sustainable-Finance-Strategie, aber jedes Haus sollte auf die Veränderungen reagieren und sich Gedanken über seine individuelle Strategie machen. Dabei spielt durchaus auch die Größe der Bank oder des Vermögensverwalters eine Rolle. Wir als Sutor Bank haben eine andere Sustainable-Finance-Strategie als beispielsweise ein Global Player.

Manche behaupten: Sustainable-Finance-Ansätze gefährden die Stabilität des Finanzsystems. Was meinen Sie?

Ich glaube nicht, dass Sustainable-Finance-Ansätze die Stabilität des Finanzsystems gefährden. Studien zeigen allerdings, dass ESG-geprägte Aktienportfolios tendenziell weniger Small Caps im Depot halten. Das liegt unter anderem daran, dass kleinere Unternehmen viel weniger Daten zur Verfügung stellen können und damit die ESG-Scores schwächer ausfallen. Das könnte langfristig zu Fehlentwicklungen an den Aktienmärkten führen.

Zusätzliche Reporting-Anforderungen sind unnötige Bürokratie – sie belasten mehr als sie nützen. Ihre Ansicht dazu?

Bei den Berichtspflichten von Produkten nach Artikel 8 und 9 mag es sein, dass der bürokratische Aufwand hoch ist. Am Ende geht es bei den Regularien stets darum, sicherzustellen, dass dort, wo nachhaltig draufsteht, auch nachhaltig drin ist. Gerade bei den ESG-Regularien gibt es aber auch immer wieder dort Anpassungen, wo Vorschriften zu einem zu großen Hindernis werden könnten. Die Entwicklungen im Bereich ESG sind dynamisch und so auch bei den Reporting-Anforderungen.

Warum ist Greenwashing so gefährlich?

Für Produktanbieter kann ein Fehlverhalten mittlerweile horrende Strafzahlungen bedeuten, ganz abgesehen vom Reputationsschaden. Das hat inzwischen zu Entwicklungen in eine ganz andere Richtung geführt. Viele Häuser haben sich an die Auflage von Produkten gemäß Artikel 8 und Artikel 9 gemacht, und dabei unterschätzt, was dies an Anforderungen bedeutet. Beispielsweise bindet dies erhebliche personelle Ressourcen. Aber es sind eben vor allem die Risiken, die eine zentrale Rolle spielen. Inzwischen gehen einige Marktteilnehmer dazu über, mit der Einstufung der Produkte eher zu untertreiben, um nicht Gefahr zu laufen, des Greenwashings bezichtigt zu werden.