Unsichere Geopolitik: Weniger Invest, mehr Fokus auf Climate-Tech

Startups, die klimafreundliche Technologien schaffen („Climate-Tech-Unternehmen“), werden für Investoren immer attraktiver. Mit 62 Prozent betrachten wesentlich mehr Investoren als im Vorjahr die Branche häufig oder immer als Investitionsschwerpunkt. Grund dafür sind die geopolitischen Instabilitäten, die unter anderem zeigen, dass es immer dringlicher wird, die Klimakrise zu bewältigen. Dies sind einige derKernergebnisse der aktuellen Venture Capital Market Study 2022.

Für die Venture-Capital-Studie 2022 befragten PwC Deutschland gemeinsam mit Professor Dr. Dirk Honold, Technische Hochschule Nürnberg und Ventury Analytics Startup-Investoren, deren Investitionen sich auf den deutschen Markt konzentrieren oder die Deals in Deutschland abgeschlossen haben. Bei 62 Fragen (ausgenommen bestimmte Detailfragen) stieg die Zahl der Teilnehmenden von 42 in der letztjährigen Studie auf 56 (in der Spitze waren es 62 Investoren).

„Wenn man der aktuellen geopolitischen Krisensituation etwas Positives abgewinnen will, dann die Tatsache, dass sie die Investoren dazu bringt, sich stärker mit klimafreundlichen Technologien zu beschäftigen. Das Interesse der Investoren an Climate-Tech Startups hat im Vergleich zu anderen Sektoren und zu früheren Investitionsschwerpunkten eindeutig zugenommen“, so Enrico Reiche, Director bei PwC Deutschland.

Investoren erwarten höhere IRRs

Die Internal Rate of Return (IRR) dient Investoren als Indikator für die Erträge ihrer Portfolios. 2022 ist die erwartete IRR für das einzelne Portfolio-Unternehmen im Early Stage im Vergleich zum Vorjahr im Durchschnitt um sechs Prozent auf nun 36 Prozent gestiegen. Dass  die Investoren durchschnittlich höhere IRRs erwarten, lässt sich darauf zurückführen, dass CVCs für einzelne Zielportfoliounternehmen von deutlich höheren IRRs ausgehen, als noch im Vorjahr – somit schließt sich die Kluft, die bei den IRR-Erwartungen bisher zwischen VCs und CVCs bestand. Zudem stiegen die erwarteten Kapitalmultiplikatoren für Exits und Trade Sales an: Sie liegen im Jahr 2022 zwischen 3,0x und 6,0x und haben im Vergleich zum Vorjahr über alle Investitionsphasen hinweg durchschnittlich um 0,2x zugelegt.

„Das Zusammenspiel von CVC und VC verbessert sich immer weiter und führt zu einer wichtigen Stärkung des Startup Ökosystems. Professionelle CVCs syndizieren erfolgreich mit allen Partnern und verlangen in der Regel keine Sonderposition, zum  Beispiel beim Verkauf. Nur der Freiheitsgrad bei Entscheidungen und die Vergütung mit Erfolgskomponenten, wie Carry, sind noch unterschiedlich praktizierte Punkte“, so Prof. Dr, Dirk Honold, Professor für Unternehmensfinanzierung, Technische Hochschule Nürnberg.

Niedrigere Bewertungen vor allem in der Spätphase

Die große Mehrheit der Investoren (85 Prozent) äußert, dass die geopolitischen Unsicherheiten sich negativ auf die Bewertungen von Startups auswirken – vor allem in der Spätphase ist diese Entwicklung deutlich erkennbar. Aus diesem Grund werden Finanzierungsrunden verschoben (43,9 Prozent) oder Portfolios stärker diversifiziert (ebenfalls 43,9 Prozent); 36,6 Prozent der Investoren erklären außerdem, dass die Investitionsanzahl und -volumina geringer ausfallen.

Den Investoren geht es dabei vor allem um grundlegende Vertragsbedingungen zu Bewertungsbestimmungen, Investitionsvolumina oder Liquidationspräferenzen. Ein schwierigeres Verhandlungsklima bedeutet zwar nicht zwangsläufig investorenfreundlichere Bedingungen, aber Gründer sollten in jedem Fall von einem kleineren Verhandlungsspielraum ausgehen. Der größte Verhandlungsspielraum besteht weiterhin beim Thema Mitarbeiterbeteiligung.

Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen in Deutschland ist nachteilig

Auch deutsche Startups müssen sich dem immer härteren Wettbewerb um Talente stellen – und konkurrieren häufig mit ausländischen Unternehmen. In diesem Kontext ist die Besteuerung von beteiligungsorientierten Anreizsystemen (Employee Stock Option Plans, ESOPs bzw. Virtual Stock Option Plans, VSOPs) in Deutschland ein Nachteil für das Recruiting hochqualifizierter Fachkräfte. Die in § 19a EStG vorgenommenen Änderungen hätten jedoch, so die Studienautoren, bislang nicht zu wesentlichen Verbesserungen geführt, unter anderem weil Startups sie bisher nur selten anwenden. „Unsere Studienergebnisse zeigen, dass wir Incentivierungen in Deutschland dringend anders besteuern müssen, wenn wir im Wettbewerb um die besten Talente durchsetzungsfähig bleiben wollen – die aktuellen Regulierungen sind ein deutlicher Nachteil für den Standort Deutschland. Umso erfreulicher ist es, dass einige Mitglieder der Bundesregierung angekündigt haben, die Besteuerung von Beteiligungsmodellen verändern zu wollen“, meint Gerhard Wacker, Deals/M&A Partner at PwC Legal Germany.

Bei der Finanzierung von Later-Stage-Startups stellen der nachweislich große Einfluss des deutschen Außenwirtschaftsrechts und die Beschränkungen für ausländische Investitionen zusätzliche Herausforderungen dar. Das deutsche Later Stage Finanzierungsökosystem ist nach wie vor von ausländischen Investoren und Exit-Kanälen abhängig – insbesondere von Investoren außerhalb der EU.

Die gesamte Studie findet ihr hier.

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