Berichterstattung Nachhaltigkeit im Fokus der Finanzbranche

Banken stehen vor einer Reihe neuer Offenlegungs- und Berichtsanforderungen zu Nachhaltigkeitsrisiken in ihrer Lieferkette. Diese ergeben sich etwa aus dem „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes“ (LkSG), das am 1. Januar 2023 für Unternehmen mit über 3.000 Mitarbeitern in Kraft getreten ist sowie aus der „EU Taxonomie-Verordnung“. Was diese Verordnungen für berichtspflichtige Unternehmen bedeutet, erfahren Sie im Interview mit Izebe Egwaikhide, Senior Manager, Business Development Nachhaltigkeit bei DG Nexolution.

Bei den vielen neuen Verordnungen im Bereich Nachhaltigkeitsberichterstattung ist es schwer, den Überblick zu behalten. Können Sie eine Übersicht geben und die Auswirkungen für den Finanzsektor erläutern?

Izebe Egwaikhide (IE): Viele Unternehmen sind verständlicherweise überfordert, die neuen Gesetze, Richtlinien und Standards sowie deren Weiterentwicklung zu verfolgen und die notwendigen Anpassungen ihrer bestehenden Unternehmensberichtsprozesse rechtzeitig vorzunehmen. Grundsätzlich erweitern die Anforderungen die bestehenden Berichtspflichten und zudem den Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen deutlich. Viele Verordnungen wurden auf EU-Ebene beschlossen. So hat die Europäische Union ihre strategischen Nachhaltigkeitsziele sowohl im „European Green Deal“ als auch in der „EU Sustainable Finance Agenda“ formuliert. Im Hinblick auf die Finanzbranche wurde mit der „EU-Taxonomie-Verordnung“ ein Klassifizierungsinstrument für ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten und somit ein Mittel zur Erfassung der ökologischen Nachhaltigkeit von Investitionen geschaffen. Zudem hat die EU mit der „Corporate Sustainability Reporting Directive“ (CSRD) eine neue Richtlinie für die Nachhaltigkeitsberichterstattung beschlossen.

Im Finanzsektor gilt es, die zusätzlichen Offenlegungspflichten im Zuge der 2021 veröffentlichten Offenlegungsverordnung sowie die Berichterstattung nach Artikel 8 der Taxonomie-Verordnung besonders zu beachten. Gemäß der EU-Taxonomie müssen Unternehmen, die zur nichtfinanziellen Berichterstattung verpflichtet sind, erstmals für das Jahr 2021 zu ökologisch nachhaltigen Umsatzerlösen, Investitionen (CAPEX) und Betriebsaufwendungen (OPEX) berichten.

Den meisten Unternehmen fällt es außerdem schwer, den Überblick zu behalten, wie einige der neuen Anforderungen bestehende ersetzen oder erweitern. So ersetzt beispielsweise das „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ (LkSG) den seit 2016 auf freiwilliger Basis geltenden „Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte“ (NAP), während die CSRD die bisher geltende „Non-Financial Reporting Directive“ (NFRD) und ihre nationale Umsetzung in Deutschland (CSR-Richtlinien-Umsetzungsgesetz bzw. CSR-RUG) ersetzen wird. Die noch in der Entwicklung befindliche „Corporate Sustainability Due Diligence Directive“ (CSDDD) wird wiederum einen Einfluss auf die Berichte zur Lieferkettensorgfalt haben.

Wie sollten sich bisher nicht berichtspflichtige Unternehmen verhalten?

IE: Nicht berichtspflichtige Unternehmen sollten sich Gedanken machen, wann sie von einem reinen CSR-Bericht zur nichtfinanziellen beziehungsweise umfassenden Nachhaltigkeitsberichterstattung wechseln. So sind sie auf eine kommende Berichtspflicht vorbereitet. Das ist vor allem deshalb wichtig, da eine Berichtspflicht höhere Anforderungen an quantitative und qualitative Angaben stellt, etwa zu Umweltfaktoren wie Treibhausgasemissionen (der sogenannte CO2-Fußabdruck) des Unternehmens.

Was ist der Zweck der CSRD als Berichtsstandard?

IE: Die CSRD wurde im April 2021 als Entwurf vorgestellt und nach der Überprüfung durch verschiedene EU-Instanzen im November 2022 vom EU-Parlament verabschiedet. Sie zielt darauf ab, eine Grundlage für transparente und vergleichbare nichtfinanzielle Berichte zu ermöglichen. Konkret bedeutet das einfach verständliche Informationen über den Geschäftsverlauf von Unternehmen unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten für deren Stakeholder. Die CSRD braucht die Zustimmung des EU-Rats und muss danach von den EU-Ländern in nationales Recht überführt werden. Dazu haben die Länder eine 18-monatige Frist.

Welche Unternehmen sind von der CSRD betroffen?

IE: Wie bereits erwähnt, wird sich der Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen mit Annahme der CSRD-Richtlinie enorm erweitern. Europaweit bedeutet das eine Steigerung von 11.000 auf etwa 49.000 Unternehmen. In Deutschland steigt die Zahl der berichtspflichtigen Unternehmen auf rund 15.000. Die Kriterien, die für die Berichtspflicht herangezogen werden, sind komplex. Berichtspflichtig sind große Unternehmen, für die zwei der folgenden drei Größenmerkmale gelten:

  • Beschäftigtenanzahl von über 250 im Jahresdurchschnitt, unabhängig von einer Kapitalmarktorientierung.
  • Bilanzsumme von über 20 Millionen Euro
  • Umsatz von über 40 Millionen Euro

Für kapitalmarktorientierte kleine und mittlere Unternehmen gibt es angepasste Kriterien. Eine Ausnahme bilden Kleinstunternehmen. Bei großen, kapitalmarktorientierten Tochterunternehmen entbindet eine Berichterstattung auf Konzernebene die Tochterunternehmen von der eigenen Berichtspflicht. Sie müssen auf den Konzernbericht verweisen.

Ab wann ist die CSRD für welche Unternehmen gültig?

IE: Auch der Zeitpunkt der Berichtspflicht unterscheidet sich nach Art des Unternehmens. Das Europäische Parlament und der Europäische Rat haben im Juni 2022 einen Stufenplan vorgestellt:

  • Im Jahr 2025 müssen Unternehmen, die bereits der NFRD unterliegen, ihren ersten CSRD-konformen Nachhaltigkeitsbericht über das Geschäftsjahr 2024 vorlegen.
  • Im Jahr 2026 sind große Unternehmen, die derzeit nicht der NFRD unterliegen, dazu verpflichtet, ihren ersten Nachhaltigkeitsbericht über das Geschäftsjahr 2025 vorzulegen.
  • Im Jahr 2027 müssen börsennotierte kleine und mittlere Unternehmen sowie kleine und nicht-komplexe Kreditinstitute und firmeneigene Versicherungsunternehmen ihren ersten Bericht über das Geschäftsjahr 2026 vorlegen. Diese Gruppe von Organisationen hat aber eine Opt-Out-Option bis 2028.
  • Ab 2028 werden auch nichteuropäische Unternehmen, die in der EU einen Nettoumsatz von mehr als 150 Mio. Euro erzielen und mindestens eine Tochtergesellschaft oder Zweigniederlassung in der EU haben, zur Vorlage eines Nachhaltigkeitsberichts verpflichtet.

Gibt es für Unternehmen bereits Einblick in die konkreten Anforderungen der CSRD?

Grundsätzlich umfasst die CSRD Vorschläge für Berichtsstandards, die unter den „European Sustainability Reporting Standards (ESRS)“ entwickelt werden. Die ESRS sind ein geplanter Berichtsstandard der EU, genauer gesagt der „European Financial Reporting Advisory Group“ (EFRAG). Der EFRAG hat im November 2022 einen ersten Entwurf veröffentlicht, der aus sektorunabhängigen und organisationsspezifischen Standards zusammengesetzt ist.

Vor dem ESRS-Standardisierungsprozess haben sich inzwischen andere Standards für Nachhaltigkeitsberichte durchgesetzt, die teilweise auch in der CSRD als Referenz hinzugezogen werden. Die von Finanzinstituten am meisten eingesetzten Berichtsstandards sind bisher der „Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK)“ und der Berichtsstandard der „Global Reporting Initiative“ (GRI). Es gibt weitere Standards für Nachhaltigkeitsberichte, die einen Einfluss auf die Entwicklung der ESRS genommen haben und für international agierende Unternehmen interessant sein könnten. Hierzu zählen das „Sustainability Accounting Standards Board” (SASB), das „Climate Disclosure Standards Board“ (CDSB), das „Carbon Disclosure Project“ (CDP) und „Integrated Reporting“ (IR).

Welche unterstützenden Tools oder Beratungen können betroffene Banken und Finanzinstitute nutzen beziehungsweise in Anspruch nehmen?

IE: Viele Genossenschaftsbanken haben bereits Nachhaltigkeitsstrategien erarbeitet und Tools eingeführt, um etwa ihren CO2-Fußabdruck zu messen. Allerdings gibt es bei der Definition von Indikatoren für soziale Faktoren und Umweltfaktoren noch einige Herausforderungen.

Dennoch haben sich inzwischen verschiedene Standards etabliert, um die Emissionen und Umweltauswirkungen eines Unternehmens zu messen. Hierzu zählen „die Science Based Targets initiative“ (SBTi) und das „Green House Gas Protocol“ (GHG). Aus diesen Standards wurden sektorspezifische Standards wie der „VfU Kennzahlenstandard 2022“ für den Finanzsektor erarbeitet.

Außerdem stellt die Ermittlung der finanzierten Emissionen beziehungsweise der Scope-3-Emissionen aufgrund der Datenbeschaffung bei Unternehmen eine besondere Herausforderung dar. Sie ist aber wichtig, da die finanzierten Emissionen einen relevanten Teil des Zieles des Pariser Abkommens und der „EU Sustainable Finance Agenda“ zur Lenkung von Finanzmitteln in nachhaltigere Anlagen, Projekte und Produkte abbilden.

Für die Berechnung der Scope-3-Emissionen wurden Standards und Leitfäden wie etwa der „Corporate Value Chain (Scope 3) Standard“ entwickelt. Mit dem „Global Greenhouse Gas Accounting Standard for the Financial Industry“ der „Partnership for Carbon Accounting Financials“ (PCAF) wurde ein Standard zur Messung von CO2-Emissionen von Portfolios der Finanzinstitute beziehungsweise deren finanzierte Emissionen entwickelt. Dieser ist mit dem GHG Protocol und weiteren Standards wie dem „Carbon Disclosure Project“ (CDP) und der „Task Force on Climate-related Financial Disclosures“ (TCFD) kompatibel.

Die CSRD und der aktuelle Entwurf der CSDDD schreiben auch Berichtspflichten in Bezug auf die Erderwärmungswirkung (Grad-Celsius-Wirkung) der CO2-Emissionen vor. Das macht neue Methoden der Darstellung notwendig. Zur Grad-Celsius-Wirkung von Unternehmen, Produkten, Portfolios sowie Städten und Kommunen haben sich verschiedene Standards durchgesetzt. Ein Beispiel ist das „X-Degree Compatibility (XDC) Model“. Mit dieser Methode können Unternehmen darauf bewertet werden, ob sie Paris-konforme 1,5-Grad-Unternehmen sind.

Was können Sie Genossenschaftsbanken empfehlen?

IE: Banken sollten sich genug Zeit lassen, um die Prozesse, die Identifizierung der Quellen und die Zuständigkeiten im Unternehmen für die Bereitstellung der benötigten qualitativen und quantitativen Nachhaltigkeitsinformationen vorzubereiten. Das gilt beispielsweise für die Bereiche Controlling, Nachhaltigkeitsmanagement, Gebäudeverwaltung, HR, Legal & Compliance oder das Vorstandsbüro.

Mit Blick auf die CSRD ist dabei notwendig, das Geschäftsmodell und die Strategie zu beschreiben, Unternehmensziele in Bezug auf Nachhaltigkeit zu definieren und den aktuellen Status bei der Erreichung dieser Ziele zu überprüfen. Außerdem gilt es, die Nachhaltigkeitsrisiken aus Sicht des Unternehmens zu identifizieren. Hierfür sollten Unternehmen eine doppelte Wesentlichkeitsanalyse durchzuführen, die sowohl die Auswirkungen des Unternehmens auf die Umwelt als auch die Auswirkungen der Umwelt auf das Unternehmen berücksichtigt. Hinzu sollten Organisationen Richtlinien zum Nachhaltigkeitsmanagement formulieren sowie KPIs für die definierten Nachhaltigkeitsziele, Managementprozesse und deren Offenlegung festlegen.

Banken der genossenschaftlichen FinanzGruppe können sich zudem an DG Nexolution wenden. DG Nexolution bietet gemeinsam mit Partnerunternehmen ein breites Portfolio zum Thema Nachhaltigkeit. Dies reicht von Beratungsleistungen und Lösungen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung bis hin zur Berechnung der Umweltindikatoren, zum Beispiel durch einheitliche Tools für die CO2-Fußabdrucksberechnung und das damit verbundene Management. Dazu zählt auch die Ermittlung und Berichterstattung über die Wirkung (inklusive Grad-Celcius-Wirkung) beschlossener Maßnahmen zur Senkung des CO2-Fubdruckes, die eine wichtige Grundlage für die Berichterstattung der Genossenschaftsbanken bilden. Hinzu kommt das von DG Nexolution betriebene Nachhaltigkeitsportal, eine Gemeinschaftsentwicklung mit dem BVR, dem Verband der Regionen sowie einzelnen Volksbanken und Raiffeisenbanken. Das Tool dient dem Erfahrungsaustauch und kann als Sammlung von Nachhaltigkeitsberichten eine aktuelle (und historische) Übersicht der Nachhaltigkeitsaktivitäten im Verbund geben.