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Dokumentenprüfung: Keine Chance für gefälschte Dokumente

Fünf Milliarden Euro – auf diese Summe schätzt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) den Schaden, der Versicherten allein in Deutschland jährlich durch Betrug entsteht. Die Pandemie hat hier keinesfalls für eine Entspannung gesorgt – ganz im Gegenteil, wie eine Studie der Association of Certified Fraud Examiners (ACFE) und SAS feststellt.

Demnach meinen 60 Prozent der befragten Unternehmen, dass sie ihre Investitionen in die Betrugsabwehr deutlich ausbauen müssen. Noch immer gilt Versicherungsbetrug als Kavaliersdelikt, und laut Statista sind 15 Prozent aller Versicherten einem Betrugsversuch nicht abgeneigt. Die häufigsten Betrugsversuche, die im vergangenen Jahr überproportional an Popularität gewonnen haben, sind das Vortäuschen von Verletzungen, das Verheimlichen relevanter Informationen und gestellte Unfälle.

Schlüsselrolle: Gefälschte, zweckentfremdete oder unplausible Dokumente

Eine Schlüsselrolle spielen fast immer gefälschte, zweckentfremdete oder unplausible Dokumente. Dabei ist es unerheblich, ob ein Schaden fingiert oder gar fiktiv ist, vom Versicherungsnehmer provoziert wird oder ein echter Schaden ausgenutzt wird, um ungerechtfertigte Ansprüche geltend zu machen – der Fantasie oder besser: kriminellen Energie scheinen kaum Grenzen gesetzt. So sind vorgetäuschte Todesfälle oder Schadenmeldungen nach Abschluss von Rechtsschutzverträgen auf nichtexistierende Personen keine Einzelfälle – allesamt Vorgänge, bei denen falsche Dokumente eine Rolle gespielt haben müssen. Aber auch in kuriosen Fällen, wie dem eines Ex-Schalke-Spielers, der seine Lebensversicherung mithilfe einer gefälschten Sterbeurkunde um 1,2 Millionen Euro prellen wollte. Letztere hätte bei einer gründlichen Prüfung der Dokumente früher auffallen können.

Dokumentenprüfung: Theoretisch sinnvoll, praktisch unwirtschaftlich

Ein Orginalschreiben

Könnte – denn in der Versicherungspraxis sind solche gründlichen Checks weder die Regel noch effizient machbar. Beispiel: Rechnungen von versicherten Gegenständen im Rahmen der Schadensregulierung in Sachversicherungen. Ziel aller großen Versicherer ist die Steigerung der Dunkelverarbeitungsquote – also des Anteils von Leistungsfällen, die vollständig automatisiert bearbeitet werden, vom Schadenseingang über das Auslesen der Dokumente bis hin zur Auszahlung an den Versicherten. In der Praxis gelingt das bislang nur zum Teil. Mitunter schauen sich Sachbearbeiter noch Dokumente an und müssen die Software beim Übertragen von Informationen in eine Kundenakte unterstützen.

…und hier die Fälschung.

(Teil-)Automatisierte Verarbeitungsstrecken helfen, offensichtliche Fehler und Informationslücken zu finden. Aber sie decken in der Regel nicht die Prüfung der Dokumente auf Auffälligkeiten ab. Sind auf einer Rechnung Schriftarten verwendet worden, die ein Händler sonst nicht nutzt? Gibt es eine ungewöhnliche Häufung von Personen, die in scheinbar unzusammenhängende Schadensfällen involviert sind? Sind die Zeilenabstände auf einem Dokument wenige Pixel größer als auf Vergleichsdokumenten desselben Verfassers? Ist das Firmenlogo einer Kfz-Werkstatt auf der Rechnung plötzlich etwas größer als üblich? So etwas kann einem Sachbearbeiter theoretisch auffallen, bei wenigen Minuten, die ihm für einen Fall zur Verfügung stehen, ist das aber unwahrscheinlich. Zufallsfunde lassen aber erahnen, dass deutschen Versicherern durch Dokumentmanipulationen und Fälschungen jährlich Milliardenschäden entstehen.

Zehn Prozent ungerechtfertigte Auszahlungen

Bei großen Versicherungen werden täglich viele Tausende von Dokumenten durch Versicherte eingereicht, die teilweise hohe finanzielle Ansprüche begründen sollen – wie beispielsweise Kfz-Werkstattrechnungen, Arztrechnungen oder Gutachten. Dass betrügerisches Vorgehen auch hier viel zu selten ans Licht kommt, zeigt der Vergleich zwischen Studien, die regelmäßig ermitteln, dass bis zu zehn Prozent der Versicherungsleistungen ungerechtfertigt ausgezahlt werden, während die realen Aufdeckungsquoten bei unter einem Prozent liegen.

Die Verluste wären vermeidbar, wenn die Prüfung auf Auffälligkeiten etwa in Bezug auf das Layout, Format oder Schriftarten und -größen auf den Dokumenten sowie weitere Manipulationen wie das Überschreiben von Inhalten integraler Bestandteil des Leistungsprozesses wäre. Doch selbst für einen erfahrenen Analysten kann es äußerst schwierig sein, diese Anomalien zu entdecken. Wer merkt sich schon, welche Laufweite die Schrift auf einer Rechnung von vor drei Wochen hatte? Zudem ist eine sorgfältige Prüfung sehr zeitaufwendig und steht dem Ziel der Prozesskostensenkung und Erhöhung der Dunkelverarbeitungsquote entgegen.

Künstliche Intelligenz als Forensikerin

Die automatisierte Dokumentenprüfung, die so genannte Dokumentenforensik, kann den Prüfprozess nicht nur wesentlich beschleunigen, sondern bietet durch die gleichzeitige softwaregestützte Analyse der bereitgestellten Informationen eine Prüfung und Detektion von Anomalien, die in diesem Umfang nicht einmal ein ausgebildeter Experte leisten könnte.

Die Software ermittelt mit KI für jeden Dokumentersteller (etwa einen Arzt oder eine KFZ-Werkstatt) das typische Layout der Dokumente. Dazu werden über 120 Merkmale, wie beispielsweise Schriftarten, Logos, Tabellenaufbau, Abstände sowie häufig vorkommende Formulierungen, herangezogen. Neu eintreffende Dokumente werden auf diese Merkmale hin überprüft. Nach der Prüfung wird ein Score-Wert vergeben, der die Wahrscheinlichkeit einer Manipulation angibt.

Entscheidend ist, wie dieser Score-Wert mit bestehenden Informationen angereichert und in Bezug gesetzt wird. Das geschieht auf einer dezidierten analytischen Plattform zur Betrugsprävention von SAS (SAS Fraud Decisioning). Hier werden die automatisch ausgelesenen Dokumentendaten, Bestandsdaten zum jeweiligen Kunden und der Score zusammengeführt und analysiert, was ein umfassendes Bild des zu prüfenden Falls ergibt.

Dieses kombinierte Prüfverfahren liefert deutlich bessere Trefferquoten als Insellösungen, die beispielsweise nur mit vorhandenen Daten aus Kundenakten arbeiten. Dadurch können unverdächtige Vorgänge schneller und kundenfreundlicher bearbeitet und gleichzeitig die Anfälligkeit für Betrug drastisch reduziert werden.

Zeit ist hier bares Geld

Die automatisierte Erkennung von Dokumentenmanipulation auf der Grundlage von KI und Analytics hilft also sehr effektiv, betrügerische Ansprüche so schnell und gründlich wie möglich zu erkennen und ungerechtfertigte Zahlungen zu verhindern – wodurch gleichzeitig die Auszahlung unverdächtiger Fälle beschleunigt werden kann. Unterm Strich ermöglicht das einem Versicherer, in diesem gesättigten Markt Kosten zu sparen, Verluste zu reduzieren und attraktivere Konditionen für den Kunden anbieten zu können.

Autoren: Heike Jennewein, SAS, und Jan Franke, ICO-LUX