
Green IT: Sustainable Finance zwingt Banken in die Cloud
„Wenn eine Bank Sustainable Finance glaubwürdig und nachhaltig anbieten will, muss sie auch selbst entsprechend handeln und in nachhaltige Strukturen investieren – und zwar nicht nur, weil der Gesetzgeber ESG-Konformität einfordert, sondern weil Kunde und Markt es wollen. Das wiederum verlangt zwingend nachhaltige und ressourcenschonende IT als Backbone, und damit stellt sich unweigerlich die Frage nach der Auslagerung in die Cloud. Weil Resilienz aber genauso wichtig ist wie Nachhaltigkeit, lautet die Antwort heute zumeist „hybrid“, erklärt Andreas Kopf, Managing Principal bei der Bad Homburger Unternehmensberatung microfin.
Herr Kopf, Sie beraten insbesondere Banken und Versicherungen bezüglich ihrer IT-Strategie. Begegnet Ihnen das Thema Sustainable Finance dabei?
Ja, das Thema ist quer durch die Organisationen präsent. Der Finanzsektor spielt eine große Rolle bei der Förderung von Nachhaltigkeit, indem er grüne Anleihen, nachhaltige Fonds und Investitionen in grüne Infrastruktur unterstützt. Banken bieten zum Beispiel „grüne“ Finanzprodukte an, um die Energiewende zu unterstützen. Neben „Grünfinanzierungen“ gewinnt „Impact Investing“ zunehmend an Bedeutung.
Dabei geht es doch um Produkte der Banken. Welche Auswirkungen hat das auf Infrastruktur und Prozesse?
Andreas Kopf ist Managing Principal bei der microfin Unternehmensberatung. Mit über 25 Jahren Erfahrung als Sourcing-Experte und erfahrener Organisationsleiter berät er an der Schnittstelle zwischen Fachbereich und IT. Dabei leitet er erfolgreich Projekte im Cloud- und Infrastruktur-Bereich sowie Strategie- und Transformationsinitiativen.
Die Schnittstelle ist ESG (Environmental, Social and Governance). Das ist zunächst „nur“ eine EU-Regelung, die Nachhaltigkeitsaspekte einfordert – insbesondere in regulierten Branchen wie dem Bankwesen. Doch mit der Implementierung der unvermeidlichen Maßnahmen und einem Nachhaltigkeitsbericht ist es nicht getan. Es liegt auf der Hand: Wer im Rahmen von Sustainable Finance nachhaltige Produkte anbietet, kann das nur glaubwürdig tun, wenn auch nachhaltige Geschäftsmodelle dahinterstehen. Das wird von der Kundschaft und von Investoren auch zunehmend eingefordert.
Nachdem Banking heute ein weitgehend IT-getriebenes Geschäft ist, erfordert ESG-Compliance eine nachhaltige IT – und damit auch eine konsequent nachhaltige Strategie für den gesamten IT-Betrieb. Ohne eine leistungsfähige und ressourcenschonende IT-Infrastruktur bleibt nachhaltiges Banking oft nur eine Vision.
Wo steht die Branche dabei aus Ihrer Sicht?
Das Bewusstsein wächst, aber ein genauer Blick in die IT zeigt oft eine andere Realität. ESG-Kriterien finden sich in vielen Fällen noch nicht ausreichend in der IT-Infrastruktur und den Sourcing-Strategien der Unternehmen wieder. In der Praxis zeigt sich zum Beispiel, dass ESG bei der Auswahl von IT-Dienstleistern oft noch keine zentrale Rolle spielt. Stattdessen dominieren weiterhin klassische Auswahlkriterien wie Kosten, Performance und Verfügbarkeit.
Zum Thema IT-Dienstleister: Welche Rolle spielen diese in der Nachhaltigkeitsgleichung? Kann sich eine Bank nachhaltige IT einfach „erkaufen“?
So einfach ist es natürlich nicht – die Nachhaltigkeitsstrategie muss im Unternehmen selbst wachsen. Aber tatsächlich ist es speziell in der IT oft nicht nur ökonomischer, sondern auch nachhaltiger, Dienstleister zu nutzen. Zudem sind Banken verpflichtet sicherzustellen, dass ihre IT- und Sourcing-Strategien ESG-konform sind.
Das Schlüsselwort lautet hier „Cloud“ – richtig?
Das stimmt. Sustainable Finance und ESG zwingen Banken und Versicherungen quasi in die Cloud – und die BaFin unterstützt das seit einigen Jahren auch. Tatsache ist: Hyperscaler wie Amazon Web Services (AWS), Microsoft Azure, Google Cloud und Cloud-Anbieter optimieren ihre Rechenzentren kontinuierlich und können dadurch deutlich effizienter arbeiten als interne Rechenzentren. Hyperscaler und Cloud-Anbieter haben einen Vorsprung, weil sie ihre Rechenzentren permanent optimieren. Beim Thema Energieeffizienz zum Beispiel spielen insbesondere Hyperscaler viele Karten aus: energieeffiziente Hardware, Abwärmenutzung und nachhaltige Kühllösungen und der Einsatz erneuerbarer Energien sind nur Beispiele dafür. Zudem können Cloud-Anbieter allein schon durch ihrer Größe und durch Virtualisierungstechnologie die Auslastung optimieren und müssen keine am „Worst Case“ orientierten, aber selten genutzten Ressourcen vorhalten. Tatsächlich belegen verschiedene Studien, dass Unternehmen durch den Wechsel in die Cloud ihre CO2-Emissionen massiv reduzieren können.
Können Banken diesen Rückstand mittelfristig wieder aufholen?
Nein, das ist nicht realistisch und wäre unwirtschaftlich. Es geht ja nicht nur um den Status quo, sondern auch um das Innovationstempo. Denken Sie an das Megathema KI: Hier ist eine enorme Menge an Datenverarbeitung und -analyse gefordert, die eine leistungsfähige und effiziente IT-Infrastruktur voraussetzt. Mit On-Premise-Infrastrukturen ist das nicht sinnvoll, schnell genug und erst recht nicht energieeffizient und nachhaltig umzusetzen.
Geht der Trend also weg vom eigenen Rechenzentrum?
Auch wenn die Bedeutung von ESG und Nachhaltigkeit zunimmt, bleiben Kriterien wie Kosten, Performance, Flexibilität und Datenhoheit bestehen. Bei regulierten Branchen wie Banken und Versicherungen spielen Sicherheit und Compliance eine überproportional große Rolle. Deshalb spielt ESG am Ende doch nur mit vielleicht 20 Prozent in die Gleichung. Ein aktueller Trend ist die Sovereign Cloud: In der “souveränen Cloud” können moderne und innovative Technologien genutzt und zugleich die höchsten Schutzbedarfe der Daten gewahrt werden. Hier zieht die Nachfrage derzeit an, und verschiedene Anbieter machen passgenaue Angebote für Banken.
Resilienz sticht also Nachhaltigkeit, selbst in Zeiten von Sustainable Finance?
Das sind zwei Seiten einer Medaille. Während Resilienz häufig mit kurzfristigen Risiken und Krisenmanagement verbunden ist, erfordert Nachhaltigkeit eine langfristige Ausrichtung. Resilienz und Nachhaltigkeit sind keine Gegensätze, sondern müssen sich im Bankwesen gegenseitig ergänzen. Banken, die Nachhaltigkeit als integralen Bestandteil ihrer Resilienzstrategie betrachten, sind gut auf zukunftsorientierte Risiken und langfristige Herausforderungen vorbereitet.
Und wie kann so ein Kompromiss im Hinblick auf Infrastrukturen aussehen?
Bei Banken und Versicherungen ist ein hybrider Ansatz oft die beste Wahl. Kritische Systeme und sensible Kundendaten liegen in einer den Vorschriften entsprechenden Co-Location oder einer Private Cloud. Flexibel skalierbare Workloads, bei denen Agilität bei der Bearbeitung gefragt ist – also zum Beispiel im KI-Umfeld – , wandern zu den Hyperscalern. Back-ups und Disaster Recovery bekommen ihre eigene getrennten Cloud- oder Co-Location-Umgebung. So machen es immer mehr Banken – dieses Prinzip scheint sich aktuell durchzusetzen.
Aber ist das nicht wieder eine Zwischenlösung und ein fauler Kompromiss in Sachen Nachhaltigkeit?
Nein: Die Zukunft ist ganz klar hybrid. Die Anforderungen sind ja zumindest auf Sichtweite bekannt und Multi-Cloud- und Hybrid-Strategien sind, Stand heute, der beste Ansatz, um Kosten, Performance, Compliance und ESG optimal auszubalancieren. Wichtig ist, dass diese Strategie nicht nur punktuell, sondern im Sinne einer unternehmensweiten IT-Architektur zum Einsatz kommt. Nur dann sind die IT-Services genauso sustainable wie die Finance-Produkte, die auf ihr entwickelt und realisiert werden.