Kommentar: Quo vadis, Sustainability-linked Finance?
Unternehmen müssen das Thema Nachhaltigkeit immer mehr in ihre Berichterstattung integrieren. Sorgt dies für mehr nachhaltige Finanzierungen – oder macht es diese überflüssig? Diesen Fragen geht Tim Buchholz, ESG Originator bei der DZ Bank (Webseite) in Frankfurt am Main, beim Informationsportal Finance des F.A.Z.-Fachverlags.
Taxonomy, CSRD, ESRS – das regulatorische Rahmenwerk für Nachhaltigkeit ist gesetzt und sorgt für eine zunehmende Integration des Themas in die Berichterstattung, aber auch in die Geschäftsstrategie der Unternehmen. Nicht umsonst wird aus der Non-Financial Reporting Directive (NFRD) eine Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Nachhaltigkeit ist nämlich alles andere als “nicht-finanziell”.
Der Kapitalmarkt hat dies bereits länger antizipiert, und so nahmen insbesondere am Kredit- und Schuldscheinmarkt Sustainability-linked Strukturen in den vergangenen Jahren an Bedeutung zu. Hier werden nachhaltige Key Performance Indicators (KPIs) in die Finanzierung integriert und die Marge wird in Abhängigkeit der Zielerreichung angepasst. Auch am Anleihemarkt stieg der Anteil dieser Strukturen, wenn auch in kleinerem Ausmaß.
Märkte verlieren an Schwung
Seit dem vergangenen Jahr scheint das Thema jedoch an Schwung zu verlieren. So sank der Anteil an Sustainability-linked Bonds Anfang 2024 um 70 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, und auch im Kreditmarkt war eine Dämpfung des Volumens zu beobachten. Einzig der Schuldscheinmarkt ist bisher unbeeindruckt.
Doch woher kommt die Zurückhaltung? Auf der einen Seite fokussieren sich Unternehmen aktuell mehr intern auf die Aufbereitung der ESG-Daten und die Integration in die Berichterstattung. Auf der anderen Seite wird das Thema Nachhaltigkeit nicht zuletzt aufgrund regulatorischer Vorschriften für Banken immer mehr Teil des Kreditprüfungsprozesses, auch institutionelle Investoren schauen verstärkt auf die ganzheitliche Strategie der Unternehmen.
All das zusammen scheint viele Ressourcen zu binden und die Neuvolumina zu belasten. Doch heißt das, dass Sustainability-linked Finanzierungen keine Zukunft mehr haben? Ganz im Gegenteil: Auch wenn ESG immer mehr in die Prozesse auf Geldgeberseite integriert wird, ist die Nachfrage nach dezidiert nachhaltigen Finanzprodukten weiterhin hoch.
Regulatorisches Umfeld ist sehr dynamisch
Es gibt mehrere Faktoren, die das Thema in Zukunft weiterhin stark unterstützen: Die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) etwa sorgt dafür, dass Investoren ihre Portfolien nachhaltiger gestalten. Eine tatsächlich nachhaltige Wirkung lässt sich eben am besten mit explizit nachhaltigen Produkten nachweisen, daher bleibt die Nachfrage hoch. Gleichwohl gilt: Wann Sustainability-linked Instrumente Fonds gemäß Artikel 8 (“hellgrün”) oder 9 (“dunkelgrün”) zugeordnet werden können, ist nicht klar definiert.
Das regulatorische Umfeld ist jedoch sehr dynamisch und es ist zu erwarten, dass in der EU demnächst neben den aufkommenden Empfehlungen auch konkretere Anforderungen an Sustainability-linked Produkte definiert werden. Dies könnte für mehr Sicherheit im Markt und damit zu einem erhöhten Emissionsvolumen führen. Zu guter Letzt sind ESG-Komponenten auch jetzt schon Kaufverstärker, wie Umfragen zeigen. So hat die DZ Bank mehr als 100 Schuldscheininvestoren befragt, von denen gut zwei Drittel angaben, dass ESG-Transaktionen einen Kaufverstärker für ihre Investitionsentscheidung darstellen.
Nachhaltigkeit sollte immer holistisch betrachtet werden, eine nachhaltige Komponente in der Finanzierung ist oft nur eine Ausprägung einer glaubhaften Nachhaltigkeitsstrategie. Somit wird eine Sustainability-linked-Anleihe nicht funktionieren, wenn Nachhaltigkeit nicht fest in der Geschäftsstrategie verankert ist. Ihr Potential als Wegbereiter für die Transformationsfinanzierung ist in jedem Fall weiterhin enorm.