Twin-Transformation: Digitalisierung und Nachhaltigkeit
Mit den beiden Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit steht die Versicherungsbranche inmitten zweier grundlegender Veränderungen, die als Twin-Transformation betrachtet werden können. Dabei werden beide Transformationen integriert gedacht, um zu identifizieren, wie sie bestmöglich voneinander profitieren und sich gegenseitig befruchten können.
Die Digitalisierung begleitet die Branche schon seit Jahrzehnten und die Nachhaltigkeit kommt seit den letzten zwei Jahren verstärkt hinzu. Beides sind große Veränderungen, die alle Bereiche in Unternehmen betreffen. Damit konkurrieren sie auch um Ressourcen wie Skills und Budgets. Die Unternehmen, die es schaffen, ihre Digitalstrategie mit ihrer Nachhaltigkeitstransformation zusammen zu denken, gehören laut einer IBM-Studie künftig zu den erfolgreichen Vorreitern der Zukunft.
Dabei empfiehlt es sich, von der Operationalisierung der Digitalisierung zu lernen: Etwa in Bezug auf die benötigte Technologie, Governance, Datenmodelle und Change-Management. Um zu sehen, wo Versicherer aktuell stehen, wie die beiden Themen zusammenwirken und welche Erfolgsfaktoren die doppelte Transformation gelingen lassen, haben sich vier Expertinnen und Experten zu diesen Fragen ausgetauscht – auf dem sechsten deutschsprachigen Guidewire Versicherungsforum 2023 in Köln.
Twin Transformation: Wo stehen Versicherer?
Während Versicherer noch dabei sind, ihre digitalen Fähigkeiten auf- und auszubauen, fordern strengere gesetzliche Bestimmungen und höhere Erwartungen von Kunden, Mitarbeitern und Investoren mehr Nachhaltigkeit von Versicherern. Auch der GDV hat einen starken Fokus auf Nachhaltigkeit gelegt. Und obwohl die Zahl der Versicherer, die die Principles for Sustainable Insurance unterzeichnet haben, wächst, liegt noch ein weiter Weg vor der Versicherungsbranche, denn die wenigsten Unternehmen haben Nachhaltigkeit bisher in ihr Geschäftsmodell eingebaut. Bisher überwiegen Maßnahmen zur Optimierung von Prozessen und zur CO2-Kompensation.
Dabei liegt Nachhaltigkeit eigentlich in der Natur von Versicherern und mit steigenden Naturgefahren durch den Klimawandel auch im ureigenen Interesse der Versicherungswirtschaft.
Nachhaltigkeit in der IT und Nachhaltigkeit durch die IT
Die Unternehmens-IT kann auf zweierlei Weise wirksam werden in der Twin Transformation. Eigene IT-Infrastruktur und -prozesse nachhaltig aufzustellen, ist das eine große Thema. Dazu prüfen Versicherer, was sie innerhalb der IT verbessern können, wie sie etwa IT-bezogene Emissionen und den Stromverbrauch senken können. Nachhaltige IT ist hauptsächlich verknüpft mit hoher Energieeffizienz. Cloud-Computing bietet beispielsweise viel Potenzial für Energieeinsparung, doch besteht auch die Gefahr von Rebound-Effekten, das heißt, die eingesparte Energie wird an anderer Stelle wieder verbraucht.
Aber die IT kann noch viel mehr: Sie unterstützt nachhaltige Geschäftsmodelle und die Operationalisierung der Nachhaltigkeit auf vielfältige Weise. So sind etwa veränderte Arbeitswelten als zentraler Bestandteil unternehmerischer Nachhaltigkeit, mit virtuellen Meetings und Homeoffice, ohne IT-Unterstützung undenkbar. Für das ESG-Reporting werden Unmengen an Daten gebraucht, die teilweise schon vorliegen oder neu erhoben werden müssen. Moderne Analytics-Anwendungen generieren aus diesem Meer an Daten Erkenntnisse, die für das Reporting und die Steuerung der Nachhaltigkeitsstrategie gebraucht werden. Viele innovative, nachhaltige Geschäftsmodelle basieren auf digitalen Prozessen und einer digitalen (Cloud-)Infrastruktur, wie zum Beispiel Car-Sharing und andere Sharing-Modelle, etwa für Fahrräder und Maschinen. Hier ermöglicht die IT Nachhaltigkeit.
Schadenmanagement mit Nachhaltigkeit bereichern
Um das Schadenmanagement nachhaltig und digital aufzustellen, empfiehlt es sich für Versicherer, ihren gesamten Schadenprozess darauf zu untersuchen, wo und wie sie ESG-Kriterien (Environment, Social und Governance) anwenden können – zum Beispiel in der Schadenregulierung, im Abfallmanagement, und bei der Einhaltung von Menschenrechten. „Reuse“ und „Repair“ halten im Schadenbereich Einzug und mit den Konzepten der Kreislaufwirtschaft können Versicherer nachhaltig und zukunftsfähig regulieren.
Auch die Schadenprävention nimmt eine immer wichtigere Rolle ein, besonders in der Elementarversicherung. Neue Technologien helfen zum Beispiel dabei, Daten aus Schadenfällen automatisch zu sammeln. Mit Hilfe von Algorithmen verbinden Versicherer Satelliten- und Luftaufnahmen automatisiert mit anderen Gewerbedaten und erstellen daraus eine Risikowarnung oder einen groben ersten Kostenvoranschlag.
Mitarbeiter begeistern für die Twin-Transformation
Personalisierbare Plattformen wie die (Axa-)Climate-School helfen, Mitarbeiter für die gemeinsame Wende zu begeistern. Als digitale Whitelabel-Lösung versorgt sie Unternehmen mit mehr als 10.000 Mitarbeitern mit praxisnahen E-Learning-Inhalten. Indem Versicherer ihre Mitarbeiter fortbilden, informieren, trainieren und hinter der gemeinsamen Sache versammeln, entfalten sie ungeahnte Kräfte. Modular aufgebaut, ist die Climate-School in acht Sprachen verfügbar. Dadurch kann jeder die Herausforderungen und Chancen der Twin-Transformation verstehen und sich gezielt weiterbilden. Derlei Trainings ermöglichen es Versicherern zudem, ihre Kunden nicht nur zu versichern, sondern auch aktiv bei ihrer (Twin-)Transformation zu unterstützen. Das reduziert Missverständnisse und etabliert Nachhaltigkeit als aktiven Teil der Unternehmenskultur.
Wichtige Erfolgsfaktoren für die Twin-Transformation
Um die Twin-Transformation erfolgreich in die Tat umzusetzen, muss sie von der Unternehmensführung gewollt und unterstützt werden. Vorstände und Führungskräfte sind Vorbild und Schnittstelle zwischen Business und IT. Sie können Silos effektiv aufbrechen. Dabei gilt es, die eigene Zukunft selbst zu gestalten und die verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung als Chance zu begreifen. Der sinnvolle Einsatz neuer Technologien hilft, Silodenken aufzubrechen und bereichsübergreifende Synergien zu schaffen – beispielsweise mit Sustainability-Dashboards auf Cloud-Plattformen, die beim Erstellen von ESG-Reportings unterstützen.