Regulatorik: EMIR Refit 2024 – Sind Banken vorbereitet?
Die genaue Berechnung und Begrenzung von Risiken auf den europäischen Finanzmärkten sind zunehmend schwieriger geworden, hat aber keineswegs an Bedeutung verloren. In einem Umfeld, in dem Veränderung die einzige Konstante ist, ist ein zeitnahes, genaues und standardisiertes Reporting von entscheidender Bedeutung, um Transparenz zu fördern und den finanzpolitischen Entscheidungsträgern ein genaues Bild des Marktes zu vermitteln.
In den letzten zehn Jahren wurden neue Vorschriften eingeführt, um die Berichterstattung zu vereinheitlichen. So führte die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) 2014 die European Market Infrastructure Regulation (EMIR) ein, um die Transparenz auf den Märkten für außerbörsliche Derivate (OTC) und börsengehandelte Derivate (ETD) zu erhöhen und Kredit- und Betriebsrisiken zu verringern. Damit hat sie einen Rahmen und ein Verfahren für die Übermittlung von Transaktionsdaten geschaffen. Dennoch gibt es noch immer Herausforderungen. Die fehlende Standardisierung des Formats, der Vollständigkeit und der Qualität der Daten hat dazu geführt, dass die Informationen nicht in einem Format geliefert werden, welches die Aufsichtsbehörde ordnungsgemäß nutzen kann.
Als Reaktion darauf hat die ESMA die zweite Phase von EMIR in Auftrag gegeben: EMIR Refit. Bei der Überarbeitung handelt es sich um eine regulatorische Neufassung, die die Interoperabilität zwischen Rechtsordnungen sowie die Standardisierung von Datenelementen ermöglicht, die allen Transaktionsmeldungen und Handelsgeschäften gemeinsam sind. Ziel ist es, die Datenqualität zu verbessern und die aufsichtsrechtliche Kontrolle von Instituten zu verstärken. Refit soll für die EU im April 2024 und für das Vereinigte Königreich im dritten Quartal 2024 in Kraft treten.
Dies ist zwar ein guter Schritt, um die Transparenz zu erhöhen und die Risiken zu mindern, doch die Einhaltung der neuen Vorschriften wird eine große Herausforderung darstellen. Der enge Zeitrahmen könnte die Banken stark unter Druck setzen, wenn sie nicht sofort handeln.
Wie wird sich die aufsichtsrechtliche Berichterstattung ändern?
Eine wesentliche Änderung betrifft die Anzahl der Datenfelder, die an Transaktionsregister (TRs) gemeldet werden müssen. Durch die Anpassung an den neuen Nachrichtenstandards ISO 20022 wird die Anzahl der Felder erweitert, und kann je nach Handlungsobjekt bis zu 203 meldungspflichtige Datenelemente umfassen. Unternehmen müssen diese neuen Felder in ihre Meldeprozesse einbeziehen. Die Verordnung aktualisiert die Definition, das Format und die Verwendung der wichtigsten OTC-Derivate, die an TRs gemeldet werden müssen. Dazu gehören die eindeutige Handelsgeschäfts-Kennung (UTI), die neue eindeutige Produktkennung (UPI) und andere wichtige Datenelemente, die erfasst und in jedes Meldeverzeichnis aufgenommen werden müssen. Sobald die Daten erfasst sind, können und sollten sie zur weiteren Verwendung gespeichert werden.
Refit erfordert, dass Unternehmen erklären, woher ihre Daten stammen, warum sie während eines Handelszyklus Maßnahmen ergriffen haben, und dass sie diese innerhalb der geltenden Fristen melden. Darüber hinaus werden Banken verpflichtet, täglich über die Sicherheiten und die Bewertungen von finanziellen Gegenparteien zu berichten. Europäische Unternehmen, die als finanzielle Gegenparteien benannt werden, sind nun ebenfalls gesetzlich verpflichtet und verantwortlich alle OTC-Derivate zu melden. Auch das Format, in dem die Daten übermittelt werden, ändert sich. Während die Unternehmen aktuell Daten in jeder beliebigen Form übermitteln können, müssen sie im Rahmen von Refit das XML-Nachrichtenformat ISO 20022 einhalten, welches der Securities Financing Transaction Regulation (SFTR) entspricht.
Das derzeitige Berichtswesen birgt große Herausforderungen. Unternehmen melden Informationen unvollständig, falsch oder nicht rechtzeitig, was sich auf wichtige makroökonomische Entscheidungen auswirken kann. Zentralbanken wie die Europäische Zentralbank (EZB) oder die Bundesbank stützen sich beispielsweise auf diese Daten, um Entscheidungen über Zinssätze oder Geldpolitik zu treffen. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass diese Informationen korrekt sind, da sie sonst negative Auswirkungen auf die Wirtschaft haben können. Diese Änderungen zielen darauf ab, die Datenqualität zu verbessern und einen einheitlichen Ansatz für OTC-Derivate zu schaffen, der den Aufsichtsbehörden einen besseren Einblick in die gemeldeten Daten ermöglicht.
Die Vorbereitung der Banken beginnt jetzt
Die Neufassung bringt zwar mehr Klarheit, aber auch zusätzliche Komplexität und bedeutet für die Branche einen enormen Umbruch. Einen derart detaillierten Informationsfluss zu ermöglichen, ist eine große Aufgabe und ein anspruchsvolles Unterfangen für Banken. Noch sind nicht alle Fragen geklärt. Es wird erwartet, dass wichtige Aktualisierungen noch dieses Jahr veröffentlicht werden, z. B. die genauen Datenelemente, die in den verschiedenen Vorschriften und Systemen, einschließlich UPI, erforderlich sind. Die Banken müssen jedoch bereits jetzt damit beginnen, sich mit der ESMA, der BaFin und den für sie relevanten Finanzaufsichten in Verbindung zu setzen und die Bausteine für die Einhaltung der Vorschriften umzusetzen.
Regulatorische Systeme stellen nach wie vor eine große Herausforderung für viele Banken dar, und regulatorische Aktualisierungen wie diese zeigen, wie sehr sie die Agilität behindern. Fragmentierte, manuelle und interne Prozesse wie das Berichts- und Compliance-Management führen zu Ineffizienzen und der Unfähigkeit, sich schnell anzupassen, was umso schwieriger wird, je komplexer die Vorschriften werden. Viele veraltete Systeme unterstützen beispielsweise das ISO-20022-Nachrichtenformat nicht. Es können umfangreiche Upgrades erforderlich sein, die zeitaufwändig, disruptiv und kostspielig sein können.
Fintech-Partnerschaften und -Ökosysteme sind wichtiger denn je. Durch die Migration in die Cloud und den Einsatz langfristiger SaaS-Lösungen können Banken laufende Upgrades, einschließlich der Anpassung an neue oder aktualisierte Vorschriften, nahtlos und schnell durchzuführen und gleichzeitig ihre Gesamtbetriebskosten (Total Cost Of Ownership, TCO) senken und die Produktivität durch Automatisierung steigern. Sie können zeitaufwändige Prozesse wie die Meldung von Transaktionen und die Einhaltung anderer Vorschriften wie MiFID II automatisieren.
Durch ein offenes Ökosystem können Banken spezialisierte Dienste nahtlos und schnell einführen. Zum Beispiel kann die Pflege individueller aufsichtsrechtlicher Datensätze für Banken eine große Aufgabe sein, und je größer ihr Handelsportfolio ist, desto mehr Risiken birgt dies. Durch die Konnektivität mit Systemen und Drittanbietern können Banken Anwendungen implementieren, die einheitliche Datensätze mit allen Meldevorschriften und -elementen bereitstellen.
Die EMIR-Umstellung ist eine große Herausforderung. Die Frist bis 2024 ist extrem kurz. Banken müssen jetzt handeln, sonst riskieren sie Strafen und Reputationsschäden bei Nichteinhaltung. Bei Refit geht es um Vereinheitlichung, Standardisierung von Ansätzen und Interoperabilität. Die Aufsichtsbehörden machen der Branche klar, dass sie es dieses Mal besser machen wollen, indem sie die Daten viel genauer prüfen und bei Verstößen Strafen verhängen. Bei richtiger Handhabung wird dieses Maß an Transparenz und Wissen enorme Vorteile für die Branche und – wenn andere Regionen sich daran orientieren und möglicherweise folgen – für die Weltwirtschaft mit sich bringen.
Autor:Heiko Dietz ist Principle Solution Consultant, Treasury & Capital Markets, bei Finastra in Frankfurt. Er ist dafür verantwortlich, dass Finastras Kunden in Europa den bestmöglichen Service erhalten und bestmöglich von den Lösungen profitieren. Er hat beinahe 40 Jahre Erfahrung in der Finanzdienstleistungs- und Technologiebranche. Vor seiner jetzigen Tätigkeit, die er seit mehr als fünf Jahren ausübt, arbeitete er als Solution Architect und kam 2001 als Consultant für Professional Services zum Unternehmen. Er begann seine Karriere als Business Analyst bei der DZ Bank.