Ist „grüner Kapitalismus“ nur das alte Geschäft in neuem Gewand?
Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem brennenden Haus, und jemand reicht Ihnen einen Ventilator anstelle von Wasser. Genau so fühlt sich grüner Kapitalismus oft an, meint Wolfgang Weicht, Marketing Manager beim Impact Festival von neosfer, der Innovationseinheit der Commerzbank-Gruppe. Für Weicht ist es ein Versuch, die Situation abzukühlen, ohne das Feuer zu löschen.
Der Klimawandel ist die entscheidende Krise unserer Zeit, und der grüne Kapitalismus verspricht Lösungen durch CO₂-Bepreisung, erneuerbare Energien und umweltfreundliche Technologien. Doch hier kommt der Haken: Diese Lösungen ignorieren oft das zugrunde liegende Problem – die unendliche Wachstumsjagd, die die Krise überhaupt erst verursacht hat.
Was ist die Alternative?
Um zu verstehen, warum der grüne Kapitalismus an seinen Versprechungen scheitert, müssen wir seine Widersprüche und Schwächen aufdecken. Erst dann können wir einen radikalen Gegenentwurf erkunden: *Degrowth* – eine Philosophie, die den Planeten und die Menschen vor den Profit stellt.
Eine brüchige Lösung: Das Problem mit grünem Kapitalismus
Der grüne Kapitalismus erzählt gerne eine schöne Geschichte: Märkte können den Planeten retten und gleichzeitig Gewinne sichern. Doch wenn man genauer hinsieht, zeigen sich Risse in dieser Erzählung. Nehmen wir zum Beispiel die REDD+-Initiative. Ihr Ziel war es, die Entwaldung zu stoppen und die Biodiversität zu schützen. Klingt großartig, oder? Aber in der Praxis hat sie indigene Gemeinschaften in Brasilien und Indonesien vertrieben und den Naturschutzdollar über die Menschenrechte gestellt.
Und dabei bleibt es nicht. Der grüne Kapitalismus behauptet oft, Umweltkosten durch Instrumente wie CO₂-Zertifikate zu „internalisieren“. Diese Werkzeuge verlagern die Last jedoch meist auf jene, die am wenigsten für die Klimakrise verantwortlich sind. Projekte wie Biokraftstoff-Plantagen oder Naturschutzgebiete verdrängen häufig marginalisierte Gemeinschaften und verschärfen ihre Not. Es ist weniger eine Lösung als ein schillerndes Pflaster auf einer klaffenden Wunde.
Selbst wenn grüne Technologien die Emissionen senken, erzählen ihre Hintergründe eine andere Geschichte. Elektrofahrzeuge werden beispielsweise als sauber und zukunftsweisend gefeiert. Doch ihre Herstellung erfordert Lithiumabbau, der in Regionen wie der Atacama-Wüste in Chile Wasserquellen erschöpft und Ökosysteme zerstört. Während die Welt unbesorgt weiterfährt, müssen die betroffenen Gemeinschaften die Scherben aufsammeln – ohne Beachtung der menschlichen Kosten.