ESG Erzählungen

ESG-Erzählung im Wandel: Bestehen und bewähren statt Bestreben

Die Bedeutung von ESG in Unternehmen hat sich gewandelt. Es geht nicht mehr ums Image, sondern um die Zukunftsfähigkeit. Für Finanzinstitute ist das eine große Chance.

Tue Gutes und rede darüber: Das war jahrelang das Motto für die Nachhaltigkeitsaktivitäten zahlreicher Unternehmen. Viele ESG-Aktivitäten der Unternehmen haben sich auf die Außenwirkungen bezogen – und waren damit gut fürs Image, weniger fürs Geschäft. Diese Zeiten sind vorbei. Im Angesicht wirtschaftlicher Krisen fehlen Unternehmen die Mittel, um das Markenbild zu polieren. Es muss Geld in die Kassen kommen.

Daher hat sich auch die Sicht auf ESG im Unternehmertum verändert. Es geht dabei nicht mehr allein um die Außenwirkung, sondern darum, das Geschäft gegen ESG-bezogene Risiken abzusichern. Eine CEO-Befragung im Rahmen des Weltwirtschaftsforums in Davos hat gezeigt: Sieben von zehn Risiken, die Firmenlenker in den nächsten zehn Jahren auf ihr Geschäft zukommen sehen, haben einen ESG-Bezug – von E wie Extremwetter über S wie Schwinden von Biodiversität bis G wie geosystemischer Wandel.

Geldgeber und Berater

Wenn Unternehmen in Nachhaltigkeit investieren, machen sie dies also nicht mehr nur, um Gutes zu tun und darüber reden zu können, sondern, um ihr Geschäft zukunftssicher aufzustellen und damit bestenfalls auch noch Geld zu verdienen. Es geht ihnen dabei also nicht mehr primär ums Bestreben, sondern ums Bestehen.

Banken spielen dabei eine entscheidende Rolle – und das gleich in zweierlei Hinsicht. Zum einen sind sie Geldgeber. Sie finanzieren grüne Geschäftsmodelle und die Transformation zu mehr Nachhaltigkeit. Schließlich gibt es hierfür weiterhin einen sehr großen Finanzierungsbedarf. Banken können ihn bedienen. Zum anderen sind Finanzinstitute künftig mehr als Berater gefragt. Sie haben ein großes Knowhow in der Identifikation und im Management von ESG-Risiken aufgebaut und wissen, wo bei ihnen im Portfolio Gefahren lauern. Dieses Wissen zu teilen, bietet eine große Chance.

Datenschatz als Schlüssel

Banken können und sollten Unternehmen aufzeigen, wo deren Geschäft vulnerabel ist gegenüber ESG-Einflüssen. Ist die Produktion im Hochwassergebiet angesiedelt? Wie wirkt sich Ressourcenknappheit auf die Beschaffung aus? Oder wie resilient ist die Lieferkette insgesamt? Für das eigene Risikomanagement verarbeiten Banken diese Informationen bereits. Es wäre fahrlässig, sie nicht auch in Beratungen an die Kunden weiterzugeben.

Der Schlüssel zu dieser Beratung liegt im Datenschatz, über den Banken verfügen. Sie haben nicht nur umfassende Informationen. Sie wissen auch, wie sie diese bewerten müssen. Gleichzeitig ermöglicht dieser Datenschatz Quervergleiche: Wenn Unternehmen aus einem Sektor etwa mit Problemen konfrontiert sind, die andere Unternehmen bereits gelöst haben, wissen Banken dies oft aus ihren Analysen und kennen die Lösungen. Das sind Einblicke, die Kunden nicht haben.

Einen weiteren Ansatzpunkt bieten die Reportingpflichten, denen Finanzinstitute und andere Unternehmen in der Europäischen Union (EU) unterliegen. Stichwort: CSRD, Corporate Sustainability Reporting Directive. Bisher verpflichten diese Richtlinien Unternehmen nicht dazu, konkrete ESG-Aktivitäten zu unternehmen, sondern lediglich, darüber zu berichten. Gut möglich, dass der Gesetzgeber die neu gewonnene Transparenz nutzt, um den Druck auf weniger nachhaltige Unternehmen zu erhöhen. Der Regulator könnte etwa Best Practices ausgeben. Das wären zum Beispiel die 30 besten Prozent der Unternehmen, die für den Rest der Branche eine Blaupause bieten. Das würde neue Impulse und Anreize setzen, eigene ESG-Maßnahmen anzugehen.

Das eine tun ohne das andere zu lassen

Einige Banken bieten ihren Kunden bereits Transparenz über ihre relative Nachhaltigkeitsleistung. Sie haben Plattformen entwickelt und den Kunden ihre Daten darüber bereits zugänglich gemacht. Unternehmen können ihre Anfragen dort eingeben, erhalten die Informationen entsprechend zurück und können sie für ihren CSRD-Bericht nutzen. Was sie zudem erhalten: Einen Vergleich zu Unternehmen in der gleichen und in anderen Branchen, den sie ohne diese Plattform nicht ziehen könnten. Dieser kann beispielsweise ein Indikator dafür sein, wie gut ein Geschäftsmodell aus ESG-Sicht aufgestellt ist.

Unternehmen können übrigens trotz der sich verändernden Sicht auf ESG auch das eine tun, ohne das andere zu lassen. Stichwort Bestehen und Bestreben. Wenn etwa ein Industrieunternehmen seine Produktion auf Energie aus erneuerbaren Quellen umstellt, reduziert sie unter anderem das finanzielle Risiko steigender CO2-Preise und kann diese Maßnahme kommunikativ nach Außen tragen – also weiterhin Gutes tun und darüber reden.

Autor

  • Autor: Christoph Betz ist bei KPMG mitverantwortlich für den Bereich Financial Services Transformation und Experte für strategische, regulatorische und prozessuale Fragestellungen im Kapitalmarkt- und Wertpapiergeschäft von Banken. Darüber hinaus leitet er die ESG Practice im Bankenbereich von KPMG Deutschland sowie das KPMG Financial Services ESG Hub in der EMA-Region.

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