Datenplattformen unterstützen Banken bei ESG-Anforderungen
Die Erhebung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Daten (ESG) ist in den letzten Jahren zunehmend zu einer Priorität für Unternehmen geworden. Das bringt auch ein umfassendes Berichtswesen mit sich: Laut einer BDO-Studie zur „nichtfinanziellen Berichterstattung der DAX 160-Unternehmen“ haben über 66 Prozent der DAX 160-Unternehmen im Jahr 2021 Nachhaltigkeitsberichte veröffentlicht.
Die Notwendigkeit, ESG-Daten zu untersuchen und zu veröffentlichen, wird durch mehrere Faktoren angetrieben. Verbraucher bevorzugen zunehmend Unternehmen mit einer positiven ESG-Politik und -Berichterstattung und vertrauen ihnen eher. Auch für das Employer Branding spielt eine transparente ESG-Agenda eine wichtige Rolle, denn immer mehr Mitarbeiter legen bei der Arbeitgeberwahl Wert auf Nachhaltigkeit. Und dann gibt es natürlich noch die Regulatorik: Regierungs- und Aufsichtsbehörden fordern zunehmend ESG-Transparenz von Unternehmen. Viele haben bereits eine verpflichtende ESG-Datenerfassung und -Berichterstattung für Unternehmen in ihrem Zuständigkeitsbereich eingeführt, andere ziehen dies in Betracht. Im Dezember 2022 veröffentlichte die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) ihre Roadmap für nachhaltige Finanzen. Der Fahrplan – eine Sammlung von Standards und Vorschriften, die darauf abzielen, ESG-Risikoüberlegungen besser in den Bankensektor zu integrieren – soll in den nächsten drei Jahren schrittweise in Kraft treten.
Unzureichende Daten stehen dem Erreichen von ESG-Zielen im Weg
Viele europäische Banken haben bereits damit begonnen, ESG-Datenplattformen aufzubauen oder zu überarbeiten, um den damit verbindlich werdenden Vorgaben im Bereich der nachhaltigen Finanzierung Rechnung zu tragen. Dabei beschäftigt sie vor allem die Frage, wie sie die vielen neuen Datenquellen, Datentypen und Formate, die sie im Rahmen der EBA-Änderungspläne sammeln, verarbeiten und analysieren müssen, flexibel integrieren können.
Laut der im April 2023 vorgestellten Studie des IBM Institute for Business Value (IBV) The ESG ultimatum: Profit or perish stellen unzureichende Daten Unternehmen vor große Herausforderungen beim Erreichen von ESG-Zielen: 41 Prozent der befragten europäischen Führungskräfte sehen sie als größtes Hindernis für die ESG-Implementierung. Den zweiten Platz teilen sich mit jeweils 39 Prozent regulatorische Barrieren und uneinheitliche Standards. Um die Erwartungen ihrer Kunden zu erfüllen, müssen die Unternehmen auf ESG-Daten zugreifen, sie analysieren und verstehen. „Unzureichende“ Daten sind dabei aber nicht nur unvollständige, sondern vor allem auch veraltete Daten.
Was sind ESG-Daten?
Bei der Herkunft von ESG-Daten unterscheidet man zwischen Inside-out und Outside-in. Inside-out-Daten werden von Unternehmen zur Verfügung gestellt, bilden die Grundlage für Analysen und sind bei der jährlich stattfindenden ESG-bezogenen Berichterstattung bereits sechs bis zwölf Monate alt. Outside-in-Daten sind aktueller. Sie stammen aus dem umfangreichen Datenbestand, auf den die Banken über die Finanz- und Unternehmensdaten ihrer Kunden Zugriff haben, und werden manchmal sogar in Echtzeit aktualisiert. Sie haben damit eine größere Bedeutung für das Risikomanagement, etwa durch die Zusammenführung unterschiedlicher Datenquellen.
Das Volumen und die Vielfalt von ESG-Daten erschweren die Erfassung und Analyse. Im Gegensatz zu den meisten Finanzdaten, die meist numerisch sind, können ESG-Kennzahlen sowohl strukturierte als auch unstrukturierte Datensätze umfassen, etwa Satellitenbilder. Wollen Finanzdienstleister Satellitendaten analysieren, um daraus beispielsweise Klimadatensätze abzuleiten, müssen sie gegebenenfalls sogar Videos auswerten. Diese Datendiversität macht die Verwendung eines Datenmodells, das viele verschiedene Arten von Daten unterstützen kann, wichtiger denn je.
Die Bedeutung der Datenaktualität steigt
Die Geschwindigkeit der Sammlung und Analyse von ESG-Daten nimmt exponentiell zu und gewinnt an Bedeutung – auch, weil eine Echtzeit-Verarbeitung immer häufiger zur Bedingung gemacht wird. Die Due-Diligence-Prüfung von Krediten war beispielsweise früher an vierteljährliche ESG-Daten geknüpft, aber da Kunden heute schnellere Kreditzusagen erwarten, müssen sich Finanzinstitute zunehmend auf Echtzeitdaten verlassen.
Da sowohl die Vielfalt als auch die Geschwindigkeit der Erhebung und Auswertung der ESG-Daten zunimmt, steigt auch die Menge der Daten, die gespeichert und analysiert werden muss. Das Fehlen allgemeingültiger und verbindlicher ESG-Standards, das im IBV-Report 39 % der befragten Führungskräfte beklagten, erschwert diese anspruchsvolle Datenverwaltung zusätzlich, denn Unternehmen können je nach Standort mit unterschiedlichen Standards und Datenanforderungen konfrontiert sein.
Zunehmender Anteil von Echtzeit-Daten
Ein wichtiger Aspekt bei der Nutzung von ESG-Daten ist, dass sie die Situation zum Zeitpunkt der Nutzung präzise widerspiegeln müssen. Folglich fließen immer mehr Echtzeitdaten in die ESG-Analysen, -Berichte und -Bewertungen von Unternehmen ein. Voraussetzung dafür ist die Nutzung von Technologien wie Cloud Computing, KI und Machine Learning, um aktuelle Nachrichten sofort nach ESG-relevanten Daten über Investitionen zu durchsuchen oder aktuelle Satellitendaten in Berichte über Umwelteffekte eines Unternehmens zu integrieren.
Durch den Einsatz von Echtzeit-Datenplattformen können Vermögensverwalter und Fondsmanager genaue ESG-Bewertungen ermitteln, die bei Investitionsentscheidungen auf Grundlage von Risikokalkulationen helfen. Gewerbliche Betreiber können auch sicherstellen, dass Sorgfaltspflichten (zum Beispiel entsprechend des Lieferkettengesetzes) auch Zulieferer oder direkte Produktionsanlagen bei Dritten abdecken.
Große Bedeutung bei der Kreditvergabe
Ein besonders interessanter Anwendungsbereich für die Nutzung von ESG-Daten sind so genannte Grüne Kredite. Dabei handelt es sich um Kredite oder Hypotheken mit ökologischen Nachhaltigkeitsmerkmalen. Sie werden in der Regel an Privatkunden oder KMU vergeben, um die Energieeffizienz ihres Immobilienbestandes zu verbessern, etwa Solarpaneele anzubringen oder andere Formen erneuerbarer Energieversorgung zu finanzieren. Sie dürften im Kontext des geplanten Gebäudeenergiegesetzes noch deutlich an Bedeutung gewinnen. Denn auch wenn die Details der Auflagen für Gebäude aktuell noch ein politischer Zankapfel sind und Debatten über die konkrete Ausgestaltung kontrovers geführt werden, werden Energieeffizienz-, Emissionsschutz- und andere Nachhaltigkeitsauflagen für den Immobiliensektor zeitnah kommen.
Für Banken bedeutet das, dass die Messung und Steuerung von Nachhaltigkeitsrisiken und die Integration von Nachhaltigkeitsmerkmalen in die Bewertungskriterien für die Kreditvergabe immer mehr an Bedeutung gewinnen. Das hat erhebliche Auswirkungen auf den Kreditvergabeprozess und die Datensysteme, die diesen Prozess speisen.
Fazit
Für den Finanzsektor gibt es mehr als einen guten Grund, sich eine robuste Architektur für die Erhebung, Verarbeitung und Analyse von ESG-Echtzeit-Daten zu entwickeln. Abgesehen von der Bedeutung für Kunden- und Mitarbeitervertrauen machen regulatorische Auflagen zur ESG-Transparenz und zum Berichtswesen sowie übergeordnete gesetzliche Vorgaben zu Energieeffizienz, Datenschutz oder Sorgfaltspflichten in Bezug auf Lieferketten eine harmonisierte und konsolidierte Datengrundlage unerlässlich. In einer Zeit, in der ESG-Kriterien entscheidend für den Geschäftserfolg sind, müssen sie zuverlässig gemessen, gesteuert und in die externe Berichterstattung integriert werden, damit Nachhaltigkeitskennzahlen belastbar genug sind, um als Entscheidungsgrundlage zu dienen.
Dafür benötigen Banken und Finanzdienstleister eine entsprechende Dateninfrastruktur. Echtzeit-Datenplattformen schaffen die Voraussetzungen, um den Anforderungen von Kunden, Wettbewerb und Aufsichtsbehörden gerecht zu werden. Mit einer geeigneten Datenlösung bleiben in sich schnell verändernden Wirtschafts- und Marktumfeldern agierende Finanzunternehmen agil. Sie können unterschiedliche Datenattribute für ein und dasselbe Finanzprodukt oder Darlehen erfassen, verschiedene und neue Datentypen und -formate einbeziehen, Daten aus isolierten Datensätzen konsolidieren, über eine einfache Suche Erkenntnisse aus dem enormen Datenvolumen gewinnen, benutzerdefinierte, unternehmensweit nutzbare Datenansichten erstellen und vieles mehr.