Armutsnachteil

525 Euro Armutsnachteil: Chancengleichheit am Finanzmarkt

Vermögensarme Menschen in Deutschland sind am Finanzmarkt häufig strukturell benachteiligt. Das ist das Ergebnis einer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie von Finanzwende Recherche. Wie groß die Benachteiligung ist, zeigt ein für die Studie neu entwickelter Indikator: der Armutsnachteil. Er beziffert, wie viel Geld den rund 35 Millionen Erwachsenen, die zur unteren Vermögenshälfte in Deutschland gehören, pro Jahr im Vergleich zu Wohlhabenderen entgeht.

Im Jahr 2024 lag der Armutsnachteil der Studie nach bei 525 Euro. Der Armutsnachteil beschreibt die Summe, über die eine vermögensarme Person zusätzlich verfügen könnte, wenn sie die Konditionen der wohlhabenderen Vermögensmitte erhielte. 280 Euro dieses Armutsnachteils erklären sich dadurch, dass die Portfolios Vermögensarmer renditeschwächer sind. Hinzu kommen bei ihnen höhere Produktkosten, die noch einmal 245 Euro verursachen.

Armutsnachteil mindet Bandbreite an Investitionsmöglichkeiten

„Die Studie zeigt sehr deutlich, dass es angesichts der sehr großen Vermögensungleichheit in Deutschland ins Leere läuft, Menschen mit wenig Vermögen einfach auf den Finanzmarkt, Aktienfonds oder ETF zu verweisen, und dann wird das schon mit der finanziellen Situation“, sagt Christina Schildmann, Leiterin der Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung (Webseite). „Denn wer kaum etwas hat – und wir reden hier über die Hälfte der Bevölkerung und mehr – kann es sich kaum leisten, potenziell gewinnträchtige, aber auch schwankungsanfällige Anlagen zu wählen. Die Untersuchung entlarvt damit den Mythos, private Anlageformen könnten voraussetzungslos und für alle gewinnbringend soziale Sicherung leisten“, so Schildmann.

Die Studie „Der Armutsnachteil” entstand in Zusammenarbeit mit Forschern am Institut für Sozioökonomie der Universität Duisburg-Essen. Es wurden drei Bevölkerungsgruppen gebildet: Die vermögensarme Hälfte der Bevölkerung mit einem Bruttovermögen von im Schnitt 6.000 Euro, die wohlhabendere Vermögensmitte mit einem im Schnitt deutlich höheren Bruttovermögen von 149.000 Euro sowie die oberen zehn Prozent, die im Schnitt 925.000 Euro an Bruttovermögen besitzen. Werden die Anlageportfolios der drei Gruppen betrachtet, zeigten sich große Unterschiede. Die mit Abstand wichtigste Anlageklasse in der vermögensarmen Hälfte ist das eigene Auto – obwohl es sich dabei nicht um ein Anlageprodukt im klassischen Sinne handelt. Schließlich verlieren Autos permanent an Wert und verursachen gleichzeitig Kosten. Hinzu kommen bei den unteren 50 Prozent der Vermögensverteilung sichere, aber renditeschwache Anlagen wie Spareinlagen oder Lebensversicherungen.

Anlageschwerpunkt der Vermögensmitte

Anlageschwerpunkt der Vermögensmitte ist die eigene Immobilie, eine im Betrachtungszeitraum lukrativere Form der Geldanlage. Die Vermögensmitte kommt mit ihrem Durchschnittsportfolio auf nominal 5,9 Prozent Rendite pro Jahr, bei der vermögensarmen Hälfte der Bevölkerung sind es nur 1,9 Prozent nominal.

Ein Blick auf die vermögensarme Hälfte der Bevölkerung zeigt auch, dass bestimmte Gruppen besonders häufig vertreten sind. So gehören zum Beispiel 57 Prozent der Menschen in Ostdeutschland zu dieser Gruppe, bei den Menschen mit Migrationshintergrund sind es mehr als zwei Drittel (67 Prozent). Noch höher ist die Quote der Vermögensarmen bei den Alleinerziehenden, sie liegt bei 76 Prozent.

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