ESG-Regulierung Dekarbonisierung ESG im Risikomanagement

ESG-Kriterien im Risikomanagement: Insights bei Banken weltweit

Vor zwei Jahren war sich die Bankenwelt sicher, bis Ende 2025 alle regulatorischen Vorschriften in Sachen Nachhaltigkeit im Risikomanagement umgesetzt zu haben. Jetzt zeigt die aktuelle Version der weltweiten KMPG-Studie „EGS Risk Survey for Banks“: Fast die Hälfte der befragten Banken schätzt ihren Umsetzungsstand zurückhaltender ein. Die steigenden Anforderungen seitens der Regulatoren und die zunehmende Komplexität des Themas sind mögliche Gründe dafür.

Flutkatastrophe im Ahrtal, Waldbrände im Mittelgebirge, Hochwasser in Bayern, Baden-Württemberg oder in Ostdeutschland: Die jüngsten Naturereignisse führen vor Augen, dass der Klimawandel auch hierzulande immer spürbarer wird. Doch solche Extremwetter-Ereignisse haben nicht nur seelische Folgen bei den Betroffenen zur Folge. Sie verursachen auch erhebliche materielle Schäden, deren Beseitigung hohe Kosten mit sich bringen.

Damit haben derartige Naturkatastrophen auch direkte Auswirkungen auf Finanzinstitute: Sie erhöhen deren Risiko; etwa durch drohende Ausfälle von Hypothekendarlehn. Folglich sind Nachhaltigkeitsrisiken im Risikomanagement unverzichtbar geworden. Und zwar nicht nur jene aus dem Bereichen Klima und Umwelt, sondern auch gesellschaftliche Aspekte wie Soziales und eine gute Unternehmenskultur spielen eine Rolle. Es geht also um ESG – Environment, Social und Governance.

EU als Vorreiter bei ESG-Risiken

Viele Finanzinstitute haben die hohe Relevanz von ESG-Risiken bereits erkannt. Als KPMG vor drei Jahren mehr als 110 ihrer Kunden aus dem Bankensektor in mehr als 20 Ländern das erste Mal nach deren Umgang mit ESG-Kriterien im Risikomanagement befragt hat, waren sie durchweg der Meinung, dass sie die damaligen regulatorischen Vorgaben bis Ende 2025 vollumfänglich einhalten würden. Ein Jahr später äußerten sich nur noch 70 Prozent der befragten Institute derart zuversichtlich. Nun zeigt die aktuelle Ausgabe der KPMG-Studie „ESG Risk Survey for Banks“, für die mehr als 150 Banken in 28 Ländern befragt wurden: Nur noch weniger als die Hälfte von ihnen glauben, bald alle regulatorischen Vorgaben zu erfüllen.

Viele Initiativen im Bereich der Nachhaltigkeit sehen sich enormen Herausforderungen ausgesetzt: Die gesteckten Ziele sind ambitioniert, doch ihre Umsetzung erweist sich als komplexe, globale Aufgabe. Eine Folge: Das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens von 2015 erscheint zunehmend schwer erreichbar.

Die Aufsichtsbehörden wissen um diese Entwicklung und haben ihre Anforderungen dementsprechend verschärft. Gerade europäische Institute sind durch die Europäische Zentralbank (EZB) in Sachen ESG einer besonders strengen Regulierung ausgesetzt. Folglich sind sie Vorreiter in Sachen ESG-Risiko. Nur ein paar Beispiele: Mit der EU-Richtlinie Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) gelten seit 2024 neue Regeln für den Finanzsektor. Die überarbeitete Capital Requirements Regulation (CRR II) enthält eine weitere Konkretisierung in Bezug auf ESG-Risiken. So müssen die Institute etwa transparent aufzeigen, ob sich aus aktuellen oder zu erwartenden Auswirkungen von ESG-Treibern Risiken auf Kunden oder investierte Vermögenswerte ergeben – und dem Institut dadurch negative finanzielle Auswirkungen drohen.

Herausfordernd, aber zunehmend messbar

Diese strengen Vorgaben erklären einige der Ergebnisse der „ESG Risk Survey for Banks“-Studie. Was die weltweite Umfrage darüber hinaus jedoch zeigt: Banken haben die Bedeutung eines angemessenen Umgangs mit ESG-Risiken zwar erkannt, aber bis zur vollständigen Integration noch ein Weg zu gehen.

Zum Beispiel bei der Implementierung von ESG-Treibern in die Risikomodelle. Mehr als 120 Institute und damit die große Mehrheit der befragten Unternehmen geben an, dass ihnen hierfür ausreichend präzise Daten fehlen. Zu den kritischen Lücken zählen sie insbesondere Treibhausgasemissionen auf der Kundenseite – und zwar in allen drei Scopes. Passend dazu sehen die meisten Banken die Modellierung der ESG-Risiken als größte Herausforderung für die nächsten zwei Jahre.

Finanzinstitute haben zudem weiterhin Schwierigkeiten, die Auswirkungen von ESG-Treibern auf die klassischen Risiken wie Kredit-, Markt- und operationelle Risiken zu messen und zu bewerten. Das gilt im Besonderen für die Quantifizierung von Umweltrisiken in Risikomodellen, die nicht einmal jede zehnte Bank weltweit aktuell durchführt. Zwar analysieren viele Institute die Auswirkungen von ESG auf das Kreditrisiko, aber andere Risikoarten wie operationelle, Markt-, Liquiditäts- und Konzentrationsrisiken werden von nicht einmal der Hälfte aller befragten Banken bewertet. Bei den Geschäfts- und strategischen Risiken ist die Umsetzung sogar noch geringer.

ESG-Risiko ist nicht gleich ESG-Risiko

Neben klassischen Risiken können sich ESG-Risiken auch auf den Kapitalbedarf auswirken, da mit ESG verknüpfte Ereignisse erhebliche finanzielle Verluste verursachen können. Immerhin: Ein Drittel der in der Studie befragten Institute hat einen entsprechenden Kapitalpuffer mit einer durchschnittlichen Höhe von 1,5 bis 2 Prozent des gesamten ökonomischen Kapitals gebildet – meist auf Basis von qualitativen Annahmen. Die Verwendung von ökonomischen Kapitalpuffern ist eine vorübergehende Lösung und sollte mittel- und langfristig durch eine vollständige Integration von ESG-Risikotreibern in Säule-II-Modelle ersetzt werden, um die Kapital-Adäquanz genauer abbilden zu können.

Eine weitere Möglichkeit, sich auf ESG-Risiken vorzubereiten, sind Stresstests. Statt eigene Szenarien zu entwickeln, stützen sich die meisten Banken derzeit auf die Vorschläge des Network for Greening the Financial System (NGFS). Die Abhängigkeit von diesen Vorschlägen hat 2024 sogar zugenommen. Allerdings ist jedes Geschäftsmodell einzigartig und sollte daher auch durch eigene, maßgeschneiderte Szenarien abgebildet werden. Diese individuellen Szenarien sollten idiosynkratische Effekte berücksichtigen, die das jeweilige Institut und sein spezifisches Geschäftsmodell besonders betreffen, um daraus gezielte Handlungsstrategien abzuleiten. Dabei gilt es, die verschiedene Risikoarten zu betrachten – sowohl kurzfristig als auch mittel- bis langfristig. So bewerten etwa zwei Drittel der Institute Gefahren durch Naturrisiken auf Sicht als mindestens ebenso relevant wie jene durch Klimaaspekte.

Auch hier sind die durch die EZB überwachten Institute schon etwas weiter als andere – etwa bei der Berücksichtigung von Biodiversitätsrisiken im Risikomanagement. Es ist jedoch davon auszugehen, dass auch andere Banken ihre Anstrengungen verstärken, um in diesem sich wandelnden Bereich Schritt zu halten. So beginnen viele der befragten Geldhäuser bereits damit, Biodiversität als ESG-Risikodimension zu identifizieren und ihr Verständnis dafür zu vertiefen.

Nachhaltigkeit als langfristiger Faktor im Risikomanagement

Auch beim Thema Greenwashing ist noch viel zu tun. Einige Institute berücksichtigen die Gefahr, derartigen Vorwürfen ausgesetzt zu sein, als Teil einer anderen wesentlichen Risikoart. Andere teilen das Risiko in verschiedene Komponenten auf und berücksichtigen diese beispielsweise als Reputationsrisiko, operationelles Risiko oder Compliance-Risiko. Die wenigsten sehen diese Bedrohung dagegen als eigenständiges Risiko. Dafür gibt auf der anderen Seite fast jede dritte Bank an, Greenwashing-Risiken überhaupt nicht zu berücksichtigen. Das zeigt, dass viele Institute die Gefahr, Greenwashing-Vorwürfen ausgesetzt zu sein, noch immer unterschätzen. Dabei gibt es genug aktuelle Beispiele, die ihnen eine Lehre sein sollten. Schließlich hat sich kaum ein anderes Reputationsrisiko in den vergangenen Jahren so dynamisch entwickelt wie das Greenwashing-Risiko.

Die Ergebnisse der „ESG Risk Survey for Banks“-Studie machen deutlich, dass die Banken aktiv an der Integration von ESG-Treibern ins Risikomanagement arbeiten, jedoch noch weitere Schritte notwendig sind. Das zeigt sich insbesondere daran, dass sich die regulatorischen Anforderungen weiter erhöht haben. In Anbetracht jüngster Naturkatastrophen ist zu erwarten, dass die Regulierungsbehörden diesen Weg konsequent fortsetzen werden. Die Finanzinstitute könnten davon profitieren, diesem Ansatz zu folgen und Nachhaltigkeit auch im Risikomanagement als langfristigen Faktor zu berücksichtigen. Das Thema wird voraussichtlich weiterhin an Bedeutung gewinnen.

Autoren

  • Dr. Arvind Sarin ist Partner im Bereich Financial Services bei KPMG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Er ist Experte für Risikomanagement und Treasury-Themen, Strategische Risiken, Liquiditätsrisikomanagement sowie Regulatory Capital Risk.

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  • Markus Quick ist Partner bei KPMG im Bereich Financial Services und verfügt über langjährige Erfahrung in der Risikomanagementberatung von Finanzdienstleistern mit den Schwerpunkten Non-Financial Risks, Risikokultur und 3LoD.

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