Biodiversität

Biodiversität in der Krise: Was Banken dagegen tun können

Klimakrise und Artensterben sind schicksalhaft miteinander verknüpft: Je schlechter das Klima, desto größer die Auswirkungen auf die Artenvielfalt – und damit auch auf die Wirtschaft. Denn: 75 Prozent der Bankkredite werden laut einer EZB-Studie an Unternehmen vergeben, die von Ökosystemleistungen abhängig sind. Auch deshalb müssen sich Banken nun verstärkt mit den Auswirkungen ihrer Investitionen auf die Natur befassen.

Abholzung, Urbanisierung, Umweltverschmutzung: Das sind nur einige Gründe, weshalb die Artenvielfalt auf dem gesamten Globus dramatisch schwindet. Etwa eine Million von geschätzt acht Millionen Tier- und Pflanzenarten weltweit sind vom Aussterben bedroht. So das Ergebnis eines bereits 2019 veröffentlichten UN-Berichts. Die Eingriffe des Menschen in die Natur bringen lebenswichtige Ökosysteme wie Ozeane, Wälder und Flüsse an gefährliche Kipppunkte. Bereits 2022 wurde daher in Montreal auf der 15. Vertragsstaatenkonferenz (Conference of the Parties – COP) mit dem Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework (GBF) eine neue globale Vereinbarung zum Schutz der biologischen Vielfalt verabschiedet. Die EU unterstützt diese mit dem EU Nature Restoration Law.

Wirtschaft ist von Natur und Biodiversität abhängig

Nicht nur der Gesetzgeber, auch die Wirtschaft sollte Biodiversität oben auf ihre Agenda setzen. Denn wie Frank Elderson, Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank, auf einem Podium zu grüner Finanzpolitik  im vergangenen Jahr bereits sagte: “If we destroy nature, we destroy economic activity.” Aus der Abhängigkeit der Wirtschaft von der Natur erwachsen auch Risiken für den Finanzsektor. Denn 75 Prozent der Bankkredite werden laut einer EZB-Studie an Unternehmen vergeben, die von Ökosystemleistungen abhängig sind. 70 Prozent aller Krebsmedikamente sind beispielsweise pflanzlichen Ursprungs oder synthetische Nachahmungen biologischer Wirkstoffe. Die Schädigung der Natur führt somit zusehends zu greifbaren Risiken für Investoren und Unternehmen und damit auch für die Finanzindustrie. Auch deshalb hat der Gesetzgeber Biodiversität bereits frühzeitig umfassend über die CSRD-Richtlinie und die EU-Taxonomie in seine Vorgaben aufgenommen. Vor diesem Hintergrund muss sich auch der Finanzsektor in seiner Rolle als Kapitalgeber und gesellschaftspolitischer Akteur mit den Auswirkungen seiner Investitionen auf die Biodiversität auseinandersetzen, naturbezogene Risiken erfassen und kann überdies einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität leisten. Dies erfordert drei miteinander verbundene Ansätze:

Negative Auswirkungen auf Biodiversität vermeiden

Die Artenvielfalt nimmt mit besorgniserregender Geschwindigkeit ab. Durch ihre Finanzierungstätigkeit können auch Banken die negativen Auswirkungen auf die Biodiversität verstärken. Wenden Finanzinstitute Ausschlüsse und Mindeststandards an, helfen diese zunächst dabei, weiteren Verlust zu minimieren oder auch, wenn nötig, auszugleichen, etwa durch gezielte Aufforstungsprojekte oder Korallenriffrestaurierung. Doch den eigenen Fußabdruck auf die Natur zu erfassen und so gering wie möglich zu halten, ist gar nicht so einfach. Während wir es beim Klima mit einem globalen System zu tun haben und etwa der CO2-Ausstoß in Deutschland den gleichen negativen Effekt aufs Klima hat wie in Indien, sind die Zusammenhänge im Kontext Biodiversität komplexer. Beim Erkennen naturschädigender Investments müssen sich Banken daher eingehend mit den finanzierten Aktivitäten, der damit verbundenen Wertschöpfungskette und den örtlichen Gegebenheiten auseinandersetzen, um beispielsweise Auswirkungen auf kritische Lebensräume auszuschließen.

Positive Auswirkungen auf Biodiversität erzielen

Die Menge an Beiträgen zum Klimaschutz lassen sich vergleichsweise leicht messen, indem Banken erheben, wie viele emissionsfreie und -reduzierende Projekte sie finanziert haben. Analog zu „CO2-neutral“ wird beim Schutz und der Wiederherstellung von Ökosystemen sowie Artenvielfalt der Begriff „nature positive” verwendet. Doch was heißt das genau? Banken können Biodiversität fördern, indem sie Projekte finanzieren, die unmittelbar zum Erhalt der Artenvielfalt beitragen. Außerdem helfen Aktivitäten die Umweltverschmutzung, Flächenversiegelung oder den Klimawandel – Beispiele für Treiber des Biodiversitätsverlusts – abmildern. Auch Bildungsprogramme, die Menschen über die Bedeutung der Biodiversität und Wege zu ihrem Schutz informieren, tragen dazu bei, die grundlegenden Ursachen zu bekämpfen. Für die konkrete Klassifizierung von Projekten und Aktivitäten hinsichtlich ihres Beitrags zum Erhalt der Artenvielfalt gibt es derzeit jedoch noch keine Marktstandards, sodass Finanzakteure hier wissenschaftsbasiert und mit Augenmaß vorgehen sollten, um Greenwashing zu vermeiden.

Risiken im Blick behalten

Naturschädigende Finanzierungen wirken sich nicht nur negativ auf die Umwelt aus, sondern bringen verstärkt Reputationsrisiken für Finanzinstitute mit sich. Hinzu kommen physische Risiken und Transitionsrisiken, die sich durch die erwartete zunehmende Regulierung im Bereich der Biodiversität noch verstärken werden. Deshalb sollten Banken ihre Finanzierungsaktivitäten genau unter die Lupe nehmen und beim Risikomanagement einen Fokus auf Natur- und Biodiversitätsrisiken legen.

Ob in Politik, Wirtschaft oder im Finanzsektor: Das Umfeld von Biodiversität entwickelt sich derzeit dynamisch. Gesetzgeber und Regulatoren haben noch keinen einheitlichen Rahmen geschaffen – stattdessen gibt es einen Wildwuchs an biodiversitätsbezogenen Initiativen, Metriken und ersten Rahmenwerken. Breit von den relevanten Stakeholdern getragene Initiativen, wie beispielsweise die Task Force for Nature-Related Financial Disclosure (TNFD) mit 34 Mitgliedern aus Finanz- und Industrieunternehmen, haben die Chance, sich als Marktstandards zu etablieren. Die TNFD hat bereits ein Framework für die Berichterstattung und das Risikomanagement von Naturrisiken entwickelt und bietet eine Grundlage für Strategie, Unternehmensführung, Kapitalallokation und Risikomanagement. Banken sollten daher jetzt ebenfalls die Zeit nutzen, ihre Strategie in puncto Biodiversität aufzustellen. Das heißt, ihren Status quo ermitteln entlang der drei skizzierten Punkte, ihr Ambitionsniveau festlegen und dies in Ausbaustufen operationalisieren. So sind Finanzinstitute bestens aufgestellt für alle weiteren Entwicklungen im Bereich Biodiversität.

Autor

  • Christoph Betz

    Autor: Christoph Betz ist bei KPMG mitverantwortlich für den Bereich Financial Services Transformation und Experte für strategische, regulatorische und prozessuale Fragestellungen im Kapitalmarkt- und Wertpapiergeschäft von Banken. Darüber hinaus leitet er die ESG Practice im Bankenbereich von KPMG Deutschland sowie das KPMG Financial Services ESG Hub in der EMA-Region.

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