CSRD

CSRD-Richtlinie: Regulatorisches Hindernis? Nein, eine Chance!

Ziel der europäischen Richtlinie CSRD ist, die Transparenz und Vergleichbarkeit im Bereich Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG). Aber nicht nur Brüssel interessiert sich für die Nachhaltigkeit von Unternehmen, auch Investoren, Mitarbeitenden und Kunden achten verstärkt darauf. Wie kann Nachhaltigkeit zur Unternehmensstrategie werden?

Der erste Stichtag ist in Sicht. Ab dem 01.01.2025 sind Unternehmen CSRD-berichtspflichtig, wenn sie zwei der drei folgenden Kriterien erfüllen: Mehr als 250 Beschäftigte, Gesamtwert des Vermögens von 20 Millionen Euro, 40 Millionen Euro Umsatz. Aber nach dem Ende der Ampelkoalition scheint es so, als ob die Umsetzung der CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) nicht mehr rechtzeitig auf den Weg gebracht werden kann. Der rot-grünen Minderheitsregierung fehlen Stimmen. Ein Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag kündigte kürzlich an, dass die Partei dem Gesetzesvorschlag nicht zustimmen werde. Dieser wäre zu streng ausgelegt und würde weit über die beabsichtigte Umsetzung der EU-Richtlinie in den einzelnen Ländern hinausgehen. Kritische Stimmen aus der deutschen Politik hinterfragen die Regelung aus Europa insgesamt. Zu kompliziert und zu teuer soll sie sein, nach Schätzungen belaufen sich die Kosten für Unternehmen jährlich auf 1,5 Milliarden Euro.

Deadline für die deutsche Politik

Bis zum 20. Dezember entscheidet sich, ob das Gesetz noch rechtzeitig verabschiedet werden kann, dann tagt der Bundesrat das letzte Mal in diesem Jahr. Passiert das nicht, befinden sich Unternehmen mit Sitz in Deutschland in einem rechtlichen Vakuum. Sie bleiben zwar an die bestehenden Standards wie den NFRD (Non-Financial Reporting Directive) gebunden, doch dieser bietet weniger Klarheit für die Umsetzung. Gleichzeitig hat Brüssel bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Es ist also sehr unwahrscheinlich, dass deutsche Unternehmen sich einfach zurücklehnen können. Im Gegenteil, es gibt sogar viele gute Gründe, das CSRD-Reporting proaktiv und freiwillig anzugehen.

Erfüllung der Nachhaltigkeitskriterien bleibt eine der größten Herausforderungen

Laut einer aktuellen Studie von Roland Berger, für die Führungskräfte in knapp 160 Unternehmen weltweit zu den ESG-Anforderungen befragt wurden, sehen Unternehmen in der Erfüllung der Nachhaltigkeitskriterien eine der drängendsten Herausforderungen der nächsten drei bis fünf Jahre (23%), noch vor der Digitalisierung (19%). Größere Sorgen machen sich die Befragten nur um die Inflation sowie steigende Preise (25%). Das liegt auch daran, dass fast die Hälfte der Führungskräfte (40%) davon ausgehen, dass ihr Unternehmen nicht gut abschneiden wird. Die häufigsten Probleme sind laut der Studie unklare Verantwortlichkeiten, beispielsweise das ESG nicht auf Vorstandsebene verankert ist, dass das Top-Management insgesamt Nachhaltigkeit noch immer als Randthema betrachtet und das es in vielen Unternehmen noch keine speziell geschulten Mitarbeitenden gibt, die sich mit den Berichtsstandards der CSRD vertraut machen können. Vorreiterunternehmen machen genau das anders und sichern sich dadurch Wettbewerbsvorteile.

Wie es gelingen kann

Aus der aktuellen Gemengelage ergeben sich klare Handlungsempfehlungen, wie Unternehmen es besser machen können.

  • Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie integrieren: Nachhaltigkeit sollte nicht als isoliertes Projekt betrachtet werden, sondern ein integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie sein. Dazu gehört die Definition klarer Ziele, die regelmäßig überprüft und angepasst werden. Wichtig ist dabei die kluge Operationalisierung, so dass auch das Mid-Level Management damit arbeiten kann.
  • Verantwortung auf Vorstandsebene verankern: Die Verankerung von ESG-Themen auf Vorstandsebene ist entscheidend. Idealerweise berichtet ein Nachhaltigkeitsmanager direkt an den CEO oder CFO, um sicher-zustellen, dass Nachhaltigkeit als strategische Priorität behandelt wird.
  • Ausreichende Ressourcen bereitstellen: Nachhaltigkeit ist keine kurzfristige Investition, sondern eine langfristige Transformation. Unternehmen sollten sicherstellen, dass ausreichende finanzielle Mittel und per-sonelle Ressourcen für ESG-Aktivitäten zur Verfügung stehen. Laut der Roland Berger Studie verfügen nur 61 Prozent der Unternehmen über ein dediziertes ESG-Budget. Ein höherer Mitteleinsatz ist essenziell.
  • Gezielte Schulungsmaßnahmen anbieten: Mitarbeitende sollten regelmäßig in ESG-Themen geschult werden, um das Bewusst-sein und Verständnis für Nachhaltigkeit im gesamten Unternehmen zu fördern. Wenn es von allen mitgetragen wird, steigt die Chance, die Kriterien zu erfüllen. Außerdem wird es so zum starken Faktor in der Bindung der Mitarbeitenden sowie beim Hiring von neuen Talenten. Laut dem Hiring Trends Index 2024 von Stepstone sind immer mehr Arbeitnehmende bereit, für ein nachhaltiges Unternehmen ihren Job zu wechseln und dabei sogar ein geringeres Gehalt in Kauf zu nehmen. 29 % der Befragten würden ein unterdurchschnittliches Gehalt akzeptieren, wenn sie für ein umweltbewusstes Unternehmen arbeiten könnten.
  • Transparenz in der Lieferkette schaffen: Die CSRD betrifft nicht nur berichtspflichtige Unternehmen, sondern auch Zulieferer. Unternehmen sollten frühzeitig Transparenz in der Lieferkette herstellen und von ihren Partnern Nachweise über nachhaltige Praktiken einfordern.
  • Technologie und Digitalisierung nutzen: Moderne Technologien können die Erfassung und Auswertung von ESG-Daten er-heblich erleichtern. Digitale Plattformen und Tools helfen, komplexe Anforderungen effizient zu erfüllen und Berichte zu standardisieren.

Aussitzen ist keine Option mehr

Die CSRD mag auf den ersten Blick wie eine regulatorische Bürde wirken, doch sie ist weit mehr als das. Sie bietet Unternehmen die Möglichkeit, Nachhaltigkeit als strategischen Vorteil zu nutzen, Vertrauen bei Stakeholdern aufzubauen und ihre Marktposition zu stärken. Insbesondere das Chaos um die Gesetzgebung in Deutschland können Unternehmen jetzt proaktiv nutzen, um zu zeigen, dass sie es ernst meinen und nicht nur auf Zwang handeln. Das Zeitfenster dafür wird sich aber schnell schließen. Bereits ab dem 01.01.2026 sind Un-ternehmen bereits berichtspflichtig, wenn sie ab 10 Mitarbeitende beschäftigen, einen Ver-mögenswert von 350.000 Euro oder einen Umsatz von 700.000 vorweisen (es gilt wieder zwei aus drei Kriterien). Der Vergleich zeigt deutlich, dass der Roll-out-Plan schon nach einem Jahr deutlich mehr Unternehmen betreffen wird. Die Zeit für zögerliches Handeln ist deshalb vorbei. Wer sich um die Erfüllung der ESG-Anforderungen kümmert, macht sein Unternehmen zukunftsfähig.

Autor

  • Philipp von Lamezan ist CEO und Mitbegründer bei Squake. Bevor er Squake mitbegründete, arbeitete er ein Jahrzehnt lang in der Tech-Industrie vom Silicon Valley bis nach Europa. Außerdem unterstützte er Startups und Scaleups in ganz Europa als Berater und Mentor, um ihnen zu helfen, ihr Wertangebot zu definieren und In-vestitionsstrategien zu entwickeln.

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