Weiterbildung: Sustainable-Finance-Expertise wird Chefsache
Bei der nachhaltigen Transformation der Wirtschaft spielen insbesondere Finanzinstitute eine zentrale Rolle. Nicht wenige von ihnen sind bereits seit vielen Jahren in Geschäftsbereichen aktiv, die als nachhaltig und klimafreundlich gelten, zum Beispiel bei der Finanzierung von Erneuerbaren Energien, Infrastrukturprojekten wie Krankenhäusern und Schulen oder energieeffizienten Gebäuden.
Banken, Versicherer und Investoren werden deshalb von den Regulierern und Bankenaufsehern besonders stark in die Pflicht genommen. Der „EU-Green Deal“ gibt dabei die Richtung vor und definiert die Maßnahmen und Aktivitäten – mit der Taxonomie als Herzstück der EU-Sustainable Finance-Strategie. Dieser Transformationsprozess wird nicht nur viele Ressourcen in Anspruch nehmen, sondern in den Unternehmen das gesamte Personal und die komplette Unternehmensorganisation massiv fordern.
Auf- und Ausbau einer ESG-Kompetenz von Vorstands-, Verwaltungs- und Aufsichtsratsmitgliedern
Aus nachvollziehbaren Gründen formuliert die Finanzaufsicht in diesem Kontext eindeutige Erwartungen an die interne Governance der Institute. Dazu gehört u.a. der Auf- und Ausbau einer ESG-Kompetenz von Vorstands-, Verwaltungs- und Aufsichtsratsmitgliedern, klare strategische Ziele im Nachhaltigkeitsmanagement, ESG-konforme Vergütungsanreize, eine adäquate Behandlung von ESG-Risiken in der Aufbau- und Ablauforganisation sowie ein weitgreifendes Aus- und Fortbildungsprogramm für Sustainable Finance. Gemeint ist damit gleichsam eine hinlängliche Personalausstattung und Sachkunde im Detail wie auch entsprechende Funktionen im Nachhaltigkeitsmanagement.
Verwaltungs- oder Aufsichtsorgane haben die notwendigen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen nachzuweisen, die zur Wahrnehmung der Kontroll-, Beurteilungs- und Überwachungsfunktion befähigen. Dies betrifft u.a. Kompetenzen in der Rechnungslegung und im Berichtswesen, in der IT und Risikomanagement, Compliance, interne Revision sowie des rechtlichen und regulatorischen Umfelds. Das BaFin-Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken nennt dabei explizit personelle und finanzielle Ressourcen für die Behandlung von Nachhaltigkeitsrisiken und empfiehlt, wo immer nötig, eine Verstärkung der MaRisk-Funktionen durch Experten für ESG-Risiken oder durch die Einrichtung einer separaten Nachhaltigkeitseinheit, die mit spezifischen Aufgaben betraut wird.
Anforderungsprofile und das Qualifizierungsspektrum sind äußerst differenziert
Je nach Zielgruppe und analog zur Komplexität der verschiedenen Aufgaben sind die Anforderungsprofile und das Qualifizierungsspektrum äußerst differenziert. Die Net Zero Banking Alliance Germany (NZBAG), ein Zusammenschluss von in Deutschland tätigen Banken, die die Ziele des Pariser Abkommens aktiv unterstützen, hat hierfür einen Vorschlag für einen Grundlagenlehrplan zur Personalqualifizierung ausgearbeitet. Die Empfehlungen sollen Mitarbeitende auf allen Ebenen und in allen Funktionen bei der Auswahl und Konzeption grundlegender Sustainable-Finance-Schulungen unterstützen, um bei der nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung mitgestalten zu können. Das Spektrum reicht von praktischen Anleitungen zur Sensibilisierung von Bankenmitarbeitenden hinsichtlich der Transformationsmöglichkeiten bis hin zu umfangreichen Expertenwissen zu marktbezogenen oder regulatorischen Sustainable Finance-Anforderungen an Banken. Dem Fachkräftemangel und dem noch unzureichenden Qualifizierungsstand in vielen Organisationen versuchen Bildungsanbieter, mit Weiterbildungsprogrammen entgegenzuwirken. In der wachsenden Angebotslandschaft fehlt allerdings ein weitreichender Überblick über die verschiedenen Trainingsangebote. Aus diesem Grund hat das Green and Sustainable Finance Cluster Germany (GSFCG) angefangen, eine Liste mit Angeboten von Schulungs- und Weiterbildungsanbietern zusammenzustellen.
Academy of Finance von VÖB-Service in Bonn
Einer der hier gelisteten Kompetenzcenter ist die Academy of Finance von VÖB-Service in Bonn, eine der größten kreditwirtschaftlichen Akademien in Deutschland. Das Angebot an Personalentwicklungs- und Bildungsdienstleistungen für Fach- und Führungskräfte in der Kreditwirtschaft umfasst eine umfangreiche Auswahl von offenen Seminaren, Inhouse-Trainings, Fachtagungen und Zertifikatslehrgängen sowie eine Reihe digitaler Formate mit einem erkennbaren Schwerpunkt im Segment Sustainable Finance. Als Bildungseinrichtung der HypZert GmbH ist die dem Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands, VÖB, zugehörige Academy of Finance zudem Spitzenakademie für angestellte und freiberuflich tätige Immobiliengutachter.
Anforderungen an eine nachhaltige Wirtschaftsweise und die zunehmende Sustainable-Finance-Regulierung durchdringen nahezu jeden Bereich des Bankgeschäfts. Marktentwicklungen sowie veränderte Investoren- und Kundenerwartungen fordern die Institute zusätzlich heraus, ihre Geschäftsmodelle wettbewerbs- und zukunftsfähig auszurichten. Der unter Leitung des Bundesverbands Öffentlicher Banken Deutschlands, VÖB, entwickelte Zertifikatslehrgang „Certified Sustainable Finance Professional“ vermittelt die Grundlagen der sich dynamisch entwickelnden Sustainable Finance-Regulierung mit klarem bankfachlichen Schwerpunkt und gibt Einblicke in die sich verändernden Bankprozesse und Marktanforderungen. Einen methodischen Schwerpunkt bildet der Transferansatz. Die Teilnehmenden werden in die Lage versetzt, die vermittelten Inhalte in eigene relevante Anwendungsfelder zu übertragen. Der Lehrgang dient überdies als Aufbauqualifizierung in Ergänzung zur Basisschulung zum Zertifizierten Sustainable Finance Manager. Neben diesem Intensiv-Lehrgang hat die Academy of Finance weitere Basisschulungen im Bereich Corporate Social Responsibility sowie tätigkeitsspezifische Schulungen für verschiedene Nachhaltigkeitsdisziplinen in ihr Programm aufgenommen. Wichtige Sustainability-Regeln im Kundenberatungsprozess sind seit 2. August 2022 auch für Anlageberater und Vermögensverwalter nach dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) verpflichtend geworden. Workshops und Seminarangebote bereiten konzentriert und praxisnah auf die Umsetzung im Beratungsgeschäft vor. So können bankaufsichtlich anerkannte Sachkundennachweise erworben werden.
Die ESG-Regulierung wird auch jene Unternehmen erfassen, die nicht zum unmittelbaren Anwenderkreis der Gesetze gehören
Nachhaltige Weiterbildung wird allerdings keine exklusive Domäne der Finanzwirtschaft bleiben. Die ESG-Regulierung wird auch jene Unternehmen erfassen, die nicht zum unmittelbaren Anwenderkreis der Gesetze gehören, denn sie sind Teil der Liefer- und Wertschöpfungsketten. So werden auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) künftig taxonomierelevante Daten liefern müssen, wenn sie nicht deutlich höhere Finanzierungskosten für nicht-nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten in Kauf nehmen wollen. Sie werden ihre Aktivitäten bei den Sorgfaltspflichten und im Nachhaltigkeitsmanagement stärker dokumentieren müssen, auch wenn sie die Taxonomie nicht unmittelbar betrifft. Treiber werden hier vor allem Finanzinstitute sein, die für die Politik einen zentralen Transmissionsmechanismus darstellen. Sustainable Finance-Expertise muss deshalb auch in anderen Branche Chefsache werden.