Herausforderungen auf dem Weg zur Klimaneutralität
Bis zum Jahr 2050 will die EU klimaneutral sein. Was noch in weiter Ferne zu liegen scheint, hat bereits heute Auswirkungen auf Unternehmen – Klimaneutralität ist nicht von heute auf morgen zu erreichen. Deshalb gilt für eine Vielzahl von Unternehmen bereits ab diesem Jahr die Berichtspflicht für das ESG-Reporting – ab nächstem Jahr für tausende mehr. Unternehmen stehen daher nun vor der Herausforderung, das Reporting in ihre Prozesse zu integrieren und die bestmögliche Software dafür zu finden.
Das ESG-Reporting untersucht die Auswirkungen der Wirtschaftsaktivitäten eines Unternehmens auf die Bereiche Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (Environmental, Social, Governance). Ebenso legt die Berichterstattung offen, wie sich die ESG-Faktoren auf die Performance, Marktstellung und Entwicklung von Unternehmen auswirken und welche Veränderungen in Richtung Nachhaltigkeit sich am besten für das Unternehmen ableiten lassen. Nicht etwa nur produzierende Branchen sind hiervon betroffen; dem Finanzsektor kommt eine wichtige flankierende Rolle bei der Erreichung des Green Deals zu, weil die Kapitalmärkte private Finanzströme in nachhaltige Verwendungen lenken können – Stichwort Sustainable Finance. Regulierer und Verbände verpflichten Finanzinstitute in diesem Zusammenhang immer stärker dazu, Nachhaltigkeitsrisiken – intern und extern – zu identifizieren, zu managen und offenzulegen. Die Nachfrage nach ESG-Informationen wächst, ebenso aber auch der Markt für nachhaltige Geldanlagen.
Für Unternehmen und Finanzinstitute ist das ESG-Reporting daher die Chance, den sich wandelnden Kundenanforderungen gerecht zu werden. Es bedeutet aber auch einen erheblichen Mehraufwand. Nicht nur, weil Unternehmen ihre Wirtschaftsaktivitäten hinsichtlich der ESG-Faktoren überprüfen und kommentieren müssen; sie müssen entscheiden, in welchen Unternehmensprozess sie das Reporting überhaupt integrieren und welche Software sie dafür verwenden.
EU-Taxonomie klassifiziert sechs Umweltziele
Die EU-Kommission hat zur Überprüfung der Wirtschaftsaktivitäten hinsichtlich Nachhaltigkeit das Instrument der EU-Taxonomie entwickelt. Eine Wirtschaftsaktivität gilt dann als Taxonomie-konform, wenn sie zur Erreichung mindestens eines von sechs definierten Klimazielen beiträgt, andere Umweltziele nicht gefährdet sowie bestimmten Mindestanforderungen genügt. Die Umweltziele der Taxonomie sind:
- Klimaschutz
- Anpassung an den Klimawandel
- Nachhaltige Nutzung von Wasserressourcen
- Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft
- Vermeidung von Verschmutzung
- Schutz von Ökosystemen und Biodiversität
Die Basis für die Bewertung der einzelnen Umweltziele bildet eine Liste von 70 Wirtschaftsaktivitäten in konkreten Sektoren, die als besonders relevant mit Blick auf die gesetzten Klimaschutzziele gelten. Die Liste der Wirtschaftsaktivitäten (z.B. Herstellung von Zement) wird bei Bedarf erweitert; Sektoren sind beispielsweise Manufacturing oder Energieerzeugung.
Zum ESG-Reporting verpflichtet sind für das Berichtsjahr 2021 diejenigen Unternehmen, die im Geschäftsjahr durchschnittlich 500 Mitarbeitende beschäftigen, deren Umsatzerlöse sich auf mehr als 40 Millionen Euro belaufen oder dessen Bilanzsumme bei mehr als 20 Millionen Euro liegt. EU-weit sind in diesem Jahr rund 11.600 Unternehmen betroffen, ab kommendem Jahr werden über 49.000 Unternehmen ein ESG-Reporting schuldig sein, weil die Non-Financial Reporting Directive (NFRD) zur Corporate Sustainabilty Reporting Directive (CSRD) überarbeitet wird und sich dadurch die Anforderungen ändern.
Große Herausforderung: noch kein allgemeingültiger Standard
Das ESG-Reporting erfolgt anhand von konsolidierten Werten gesamtheitlich auf Unternehmensebene, betrachtet also den Umsatz (Turnover), die Betriebsausgaben (OPEX) und die Investitionen (CAPEX). Anhand der berichteten Aktivitäten lässt sich nachvollziehen, ob beziehungsweise bis zu welchem Grad das Unternehmen die EU-Taxonomie einhält und ob die Mindestanforderungen erfüllt werden. Ableiten lassen sich schließlich auch Handlungsoptionen für das Unternehmen, um die Wirtschaftsaktivität nachhaltiger auszurichten, dabei aber nicht unwirtschaftlicher zu gestalten. Denn das ESG-Reporting umfasst beide Perspektiven: inside-out, also welche Auswirkungen Unternehmensaktivitäten auf die Gesellschaft und Umwelt haben, und outside-in, also die Auswirkungen von ESG-Faktoren auf die Performance. Für den Finanzsektor beispielswiese lohnt sich die nachhaltige Ausrichtung, denn nachhaltige Geldanlagen sind seit Jahren gefragt wie nie – in Deutschland betrug ihre Summe im vergangenen Jahr 335,3 Milliarden Euro.
Die große Herausforderung beim ESG-Reporting ist, dass ein allgemeingültiger Standard noch nicht existiert. Unterschiedliche Stellen, wie Regierungsbehörden oder auch private Initiativen, entwickeln Reporting-Standards, die für deutsche Unternehmen und Finanzinstitute eine unterschiedliche Relevanz haben. Sie müssen daher verschiedene Standards und vielfältige Datenanforderungen erfüllen. Die Anwendung eines EU-weit einheitlichen Reporting-Standards für nicht finanzielle Informationen wird voraussichtlich bis Mitte dieses Jahres umgesetzt.
ESG-Reporting im Konzernabschluss ansiedeln
Am besten ist das ESG-Reporting im Konzernabschluss oder im abschlussnahen Reporting anzusiedeln, aufbauend auf konsolidierten Werten. Die Klassifizierungslogik der EU-Taxonomie wird idealerweise bereits in den ERP-Systemen implementiert. Über erweiterte Exportschnittstellen lassen sich die benötigten Daten aus den Vorsystemen automatisch extrahieren und in das Konzernsystem überführen. Ergänzende Zusatzdaten können in gängigen Konzernabschlusssystemen – zum Beispiel von SAP – zusätzlich abgefragt werden. Für die Kommentierung der Wirtschaftsaktivitäten kann die Kommentierungslösung genutzt werden, die bereits für den Konzernabschluss zum Einsatz kommt.
Mit den Standardwerkzeugen der Konsolidierungslösung kann das Reporting in das notwendige Berichtslayout überführt werden. Zu beachten sind dabei allerdings die besonderen Anforderungen an das Format – künftig soll die Aufstellung des Berichts im ESEF-Format (European Single Electronic Format) mit einem entsprechenden Tagging der Informationen erfolgen.
Alternativ ist auch eine manuelle Erfassung und Klassifikation der Werte möglich, die Vorsysteme bleiben dabei unverändert. Die Daten werden dann im Konzernreportingsystem aufgeteilt und aufgeschlüsselt. Nachteil hierbei: Der Automatisierungsgrad ist sehr gering und die Herausforderung, die Informationen zu erfassen, sehr hoch, weil diese im Konzernreporting nicht mehr in der benötigten Granularität vorhanden sind.
Fazit
Im Zuge des Green Deals sind immer mehr Unternehmen und Finanzinstitute zum ESG-Reporting verpflichtet. Der Druck wächst, auch seitens der Verbraucher und Anleger, die mehr Transparenz und Nachhaltigkeit fordern. Ebenso haben Unternehmen aber auch die Chance, Handlungsfelder in einer nachhaltigen Ausrichtung offenzulegen und sich gut am Markt zu positionieren. Um den Aufwand für das ESG-Reporting möglichst gering zu halten, siedeln Unternehmen es am sinnvollsten im Konzernabschluss an.