Grüne Investments

Washington: Ist Trump gefährlich für Grüne Investments?

Die größten US-Finanzunternehmen sind aus den beiden wichtigsten globalen Klimaallianzen NZAMI und NZBA ausgetreten. Welche Folgen hat das für Anleger, die Kapitalmärkte und die Energiewende insgesamt? Ein Gespräch mit Kevin Naumann und Christoph Betz, Asset Management- und Bankenexperten bei KPMG Financial Services über Grüne Investments.

Seit dem 20. Januar ist Donald Trump der 47. Präsident der USA. Mit BlackRock, der Citigroup, der Bank of America, Goldman Sachs, der Wells Fargo und JP Morgan haben jüngst so gut wie alle bedeutenden US-Banken und Vermögensverwalter die Net-Zero Asset Management Initiative bzw. Banking Alliance (NZAMI, NZBA) verlassen. Ist das als unmittelbare Reaktion auf Trumps zweite Präsidentschaft zu werten?

Christoph Betz ist bei KPMG mitverantwortlich für den Bereich Financial Services Transformation und Experte für strategische, regulatorische und prozessuale Fragestellungen im Kapitalmarkt- und Wertpapiergeschäft von Banken. Darüber hinaus leitet er die ESG Practice im Bankenbereich von KPMG Deutschland sowie das KPMG Financial Services ESG Hub in der EMA-Region.

Kevin Naumann: Ein klares Ja. Mit seinem Dogma ‚Drill, baby, drill‘ setzt der neue Präsident auf fossile Brennstoffe. Regierungsinvestitionen in alternative Energien und in die Energiewende dürften in den kommenden vier Jahren in den USA stark zurückgehen. ‚Braune‘ Unternehmen hingegen wittern Morgenluft.

Bedeutet das das Ende der Energiewende – zumindest was die Beteiligung des Finanzsektors an dem Projekt betrifft?

Christoph Betz: Ein klares Nein. Es gibt allen Grund zu der Annahme, dass auch Trumps zweite Präsidentschaft den globalen Trend zur Abkehr von fossilen Brennstoffen und hin zu emissionsfreier Energiegewinnung nicht umkehren wird. Bevor wir aber im Einzelnen die Gründe hierfür erörtern, müssen wir zunächst in zweierlei Hinsicht differenzieren: Einmal zwischen den regulatorischen Bestimmungen in der EU und in den USA. Und zusätzlich zwischen lang- und kurzfristigen Investments.

Naumann: Exakt. Denn genau wie die Energiewende selbst sind auch „grüne“ Investments ein langfristiges Projekt. Schon vor den jüngsten Austritten der US-Unternehmen haben weder Anleger noch Fondsverwalter erwarten können, mit diesen Portfolios in den nächsten vier Jahren spektakuläre Renditen zu erzielen. Wer auf ‚Grünanlagen‘ setzt, dem ist klar: Sie sind eine Wette auf die Zukunft. Meine Einschätzung, dass Grüne Investments in etwa zehn bis 20 Jahren ihr volles Potential entfalten werden, bleibt daher bestehen.

Was stimmt Sie so optimistisch?

Naumann: Die aktuelle Entwicklung in den USA wird vermutlich dazu beitragen, dass globale Klimaziele wie die Agenda 2050 der UN verfehlt beziehungsweise verzögert erreicht werden. Das dürfte die Gewichtung nachhaltiger Investments zunächst abschwächen, da in nicht nachhaltigen Assets mehr Rendite zu erwarten ist. Aber mittel- bis langfristig sind die globalen Schäden durch den Klimawandel einfach zu groß – auch in den USA. Sehen sie sich nur die jüngsten Waldbrände in Kalifornien an. Die Öl- und Gasreserven des Planeten sind endlich, die vom Klimawandel verursachten Kosten steigen jedes Jahr. Auch wenn ungewiss ist, wer Trump 2029 ins Weiße Haus folgt: Langfristig gibt es zur Dekarbonisierung keine Alternative. Und davon werden Grüne Investments früher oder später profitieren.

Betz: Zudem hat zum Beispiel China den Beweis erbracht, dass Grüne Energie auch in Sachen Wirtschaftlichkeit erfolgreich ist. Die Chinesen sind nicht nur Weltmarktführer im Bereich Solarenergie, sondern auch konkurrenzlos günstig – wenn auch (zumindest derzeit noch) durch staatliche Subventionen. Und eine Technologie, die grün und billig ist, wird sich auf Dauer durchsetzen. Je weiter die Energiewende vorankommt, desto günstiger wird emissionsfreie Energiegewinnung.

Naumann: Und desto höher werden langfristig die Renditen Grüner Investments! Vielleicht ein kurzer Exkurs in die IT: Das Beben, das die neue KI-App DeepSeek nicht nur bei den Usern und in der Fachwelt, sondern auch an den Aktienmärkten jüngst verursacht hat, ist ein starkes Indiz dafür, dass sich auch die mächtigen USA der Zukunft des technologischen Fortschritts nicht verschließen können.

Was bedeuten diese Entwicklungen für Europa?

Betz: Europa müssen wir in diesem Kontext noch mal als komplett andere Baustelle betrachten. Denn die EU hält bisher an ihrer Agenda 2050 fest. Mittelfristig bleiben Grüne Investments hier also genauso attraktiv wie bisher. Und ich erwarte, dass sich diese Effekte in der Zukunft gegenseitig potenzieren. Denn mit jeder Investition in grüne Unternehmen steigt ihr Kapital, das sie für die Umsetzung ihres Geschäftsmodells so dringend brauchen. Ist die Kritische Masse einmal erreicht, wird das die Energiewende beschleunigen. Aber auch für herkömmliche Investments ist die Berücksichtigung von ESG-Aspekten durchaus attraktiv. Denn sie reduzieren Risiken und maximieren die Stabilität jedes Portfolios: Vor allem in Europa werden Nachhaltigkeitsvorgaben eher zu- als abnehmen. Unternehmen, die ESG-compliant sind, haben keine Probleme mit der Regulatorik und steigern ihren Börsenwert.

Kevin Naumann ist Partner im Bereich Financial Services bei KPMG und leitet das Consulting Geschäft im Asset Management. Er leitet die ESG-Practice für AM in Deutschland und EMA.

Naumann: Und nicht nur ‚grüne‘ Investments im engeren Sinne werden attraktiver, sondern auch transformationsbezogene. Die im Mai 2025 in Kraft tretende ESMA-Namensrichtlinie macht es möglich, ‚transformatorische‘ Assets als positiv im Sinne der Nachhaltigkeit zu bewerben. Dies könnte zu einem Aufschwung der Brown to Green Investments mit gleichzeitig höherer Rendite auf kurze Sicht führen.

Wie verhält es sich mit der Kreditvergabepolitik der Banken? Müssen Unternehmen – vor allem in den USA – fürchten, künftig keine (günstigen) Kredite für ihre Transformationsprojekte mehr zu erhalten?

Betz: Auch hier möchte ich vorsichtig ‚Entwarnung‘ geben: Die Vergabekriterien waren schon vor der Gründung von NZAMI und NZBA – und auch während der Mitgliedschaft der US-Institutionen – strikt am jeweiligen Geschäftsmodell und den Zukunftsperspektiven ausgerichtet. Das wird so bleiben. Die Banken würden sich ja selbst ihrer Einnahmequellen berauben, verweigerten sie vielversprechenden Unternehmen plötzlich die Kredite, nur weil sie selbst nicht mehr in der NZBA sind.

Naumann: Für Fondsanbieter möchte ich eine ähnliche Prognose abgeben. Sehen wir uns etwa die in Europa gemäß Artikel 8 und 9 der Offenlegungsverordnung klassifizierten Fonds an: Auch diese waren schon vor den US-Austritten als langfristige Investments angelegt. Das ändert sich durch die Entscheidung der US-Unternehmen nicht. Kurzfristig maximale Renditen versprechen schon immer in erster Linie klassische Portfolios – Anleger können das berücksichtigen und beispielsweise beide Typen in einem ausgewogenen Konvolut vereinen.

Um das etwas salopp zu formulieren: viel Lärm um nichts?

Betz: Diese Einschätzung ist nicht unberechtigt. Bei beiden Initiativen handelt es sich um Selbstverpflichtungen ohne rechtliche Bindung und Sanktionsmechanismen. Rein theoretisch hätten BlackRock und Co. also zu ‚braunen‘ Vermögenswerten in ihren Portfolios zurückkehren oder an diesen festhalten können, auch ohne NZAMI und NZBA zu verlassen. Andersherum können und werden Banken weiter Kredite an innovative, transformationswillige Unternehmen vergeben, auch wenn sie dort nicht mehr Mitglied sind.

Naumann: Genau wie Fondsanbieter und Asset Manager nicht aufhören werden, langfristig vielversprechende Investments in ihre Portfolios zu integrieren. Auch wenn die aktuellen Entwicklungen der Energiewende eine Delle verleihen – langfristig steuert die Welt in eine emissionsfreie Zukunft. Die ‚Klimaaustritte‘, etwa auch der US-Notenbank, haben zwar durchaus Strahlkraft, sind aber eher ein kurzfristiges Phänomen. Und als Konzession an Donald Trump Symbolpolitik.

Autor