EU-Taxonomie: Fortschritte bei Umsetzung, geringe Relevanz
Die Berichterstattung gemäß der EU-Taxonomie-Verordnung wird zunehmend einheitlicher und damit vergleichbarer. Allerdings nutzen insbesondere Unternehmen aus dem Finanzsektor die Taxonomiedaten bislang noch kaum für ihre strategische Planung.
Bei Industrieunternehmen ist sowohl die berichtete Taxonomiefähigkeit als auch die Taxonomiekonformität leicht gestiegen. Dies kann auf eine verbesserte Datenverfügbarkeit und die Erweiterung der Taxonomie um zusätzliche Umweltziele zurückzuführen sein. Die immer noch geringe Quote könnte jedoch auch darauf hindeuten, dass die Unternehmen ein geringes Ambitionsniveau haben, um ihre Konformitätskennzahlen zu erhöhen. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Analyse der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland. Für die Studie haben PwC-Experten die bis 30. April 2024 veröffentlichten EU-Taxonomieangaben von 530 Industrie- und 97 Finanzunternehmen aus zwölf europäischen Ländern für das Geschäftsjahr 2023 analysiert.
Mit dem Klassifizierungssystem der EU-Taxonomie müssen Unternehmen in der Europäischen Union darüber berichten, wie nachhaltig sie wirtschaften und investieren. Die Taxonomie ist, neben der Offenlegungsverordnung (Sustainable Finance Reporting Directive, SFRD) und der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), eine der drei Säulen des European Green Deal und der EU-Sustainable-Finance-Strategie, mit der die Europäische Union Finanzströme in Richtung Nachhaltigkeit lenken möchte.
Klare Fortschritte bei europäischen Industrieunternehmen
Die EU-Taxonomie unterscheidet nach taxonomiefähigen und taxonomiekonformen Wirtschaftsaktivitäten. Taxonomiefähig sind Wirtschaftstätigkeiten, die im Kriterienkatalog der EU-Taxonomie zu den sechs EU-Umweltzielen enthalten sind. Taxonomiekonform sind Tätigkeiten, die aufgrund definierter Kriterien einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem der Umweltziele leisten, ohne den anderen Zielen zuwiderzulaufen („Do No Significant Harm – DNSH“) sowie den Kriterien des Mindestschutzes entsprechen. Wie hoch der jeweilige Anteil bei ihren Umsätzen, Investitions- und Betriebsausgaben ist, müssen große börsennotierte Industrieunternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden seit 2023 umfassend darlegen. Für das Geschäftsjahr 2025 wird sich der Anwenderkreis durch die CSRD nochmal stark erweitern.
- 93 Prozent der Industrieunternehmen berichten über die EU-Taxonomie, darunter die Mehrzahl im Lagebericht bzw. Geschäftsbericht, wie von der ab Geschäftsjahr 2024 in Kraft tretenden CSRD vorgegeben; das sind nahezu doppelt so viele wie im Vorjahr 2022 (38 %).
- Verpflichtende Templates zur Angabe der KPIs werden von fast 87 Prozent der Unternehmen genutzt, was einen Anstieg im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet. Darüber hinaus wurden neue Wirtschaftsaktivitäten veröffentlicht unter den neuen Umweltzielen 3-6, auf die knapp 40 Prozent der Unternehmen Bezug nahmen und passende taxonomiefähige Aktivitäten für sich identifizierten.
Björn Seidel, Partner im Bereich CSRD Assurance bei PwC Deutschland, sagt: „Die Berichterstattung zur Nachhaltigkeit der Wirtschaftstätigkeiten von Unternehmen auf Basis der EU-Taxonomieverordnung begründet ein deutliches Mehr an Messbarkeit und Vergleichbarkeit, was auch für die CSRD-Nachhaltigkeitsberichterstattung ein neues Ausmaß an Transparenz bedeutet. Zu betonen ist, dass der Kreis der betroffenen Unternehmen sich mit der CSRD für Geschäftsjahre ab 2025 erheblich ausdehnen wird. Der externen Qualitätssicherung durch den Wirtschaftsprüfer kommt hierbei eine besondere Bedeutung bei.“
Deutliche Diskrepanz zwischen Taxonomiefähigkeit und -konformität bei Industrieunternehmen
Insgesamt stiegen die Anteile taxonomiefähiger als auch -konformer Umsätze und Betriebsausgaben gegenüber dem Vorjahr an. Allerdings zeigte sich noch immer eine ausgeprägte Diskrepanz zwischen Taxonomiefähigkeit und -konformität: Beim Umsatz lag der durchschnittliche Anteil der Taxonomiefähigkeit bei 30 Prozent, taxononomiekonform waren durchschnittlich nur neun Prozent. Ähnlich ist das Bild bei den Investitionsausgaben (taxonomiefähig: 37 %, taxonomiekonform: 12 %) und den Betriebsausgaben (taxonomiefähig: 30 %, taxonomiekonform: 9 %).
Niedrige „Green Asset Ratio“ bei den Banken
Finanzunternehmen mussten für das Geschäftsjahr 2023 neben der Taxonomiefähigkeit auch erstmals über die Konformität für die Umweltziele 1 und 2 (Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel) berichten. Die Spannbreite zwischen den berichteten Taxonomiefähigkeitsquoten hat abgenommen, was auf eine Verbesserung der Datenqualität gegenüber dem Vorjahr hinweist. Sie variiert beim Umsatz zwischen 20 und 44 Prozent (Vorjahr: 0 bis 76 %) und bei den Investitionsausgaben zwischen 21 und 45 Prozent. Ganz anders bei der erstmals berichteten Konformität: Die auf den Umsatz bezogene Green Asset Ratio (GAR) liegt bei lediglich zwei Prozent.
Zwei Prozent beträgt auch die Konformitätsquote bezogen auf die Investitionen. Hier seien, betonen die Studienautoren, vor allem die Datenverfügbarkeit sowie eine mangelnde Einheitlichkeit der Erhebungsmethoden noch die größten Herausforderungen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass aktuell nur ein geringer Anteil der Finanzierungsaktivitäten einer Bank durch die Taxonomiefähigkeitskriterien abgedeckt ist. Diese Faktoren führen dazu, dass die GAR allein Stand heute nicht als Gradmesser für den Nachhaltigkeitsgrad einer Bank herhalten kann. Auf der anderen Seite deutet diese Diskrepanz aber auch auf den noch weiten Weg zur Erfüllung der anspruchsvollen Taxonomiekriterien und damit zur nachhaltigen Transformation der Wirtschaft hin.
Im europäischen Versicherungssektor schwankt die Taxonomiefähigkeit im Underwriting-Geschäft aufgrund unterschiedlicher Erhebungsmethoden deutlich – zwischen ein und 47 Prozent. Für die Kapitalanlagen der Versicherer liegt die Bandbreite zwischen drei und 27 Prozent (Umsatz) respektive vier und 32 Prozent (Investitionsausgaben). Auch bei den Versicherungen liegt die erstmals berichtete Taxonomie-Konformitätsquote im Underwriting im Schnitt bei nur zwei Prozent, was auf ähnliche Faktoren wie im Bankensektor zurückzuführen ist.
Bislang kaum strategische Planung mit Taxonomiedaten
Auch aufgrund der noch niedrigen Quoten nutzen insbesondere Finanzinstitute die Taxonomiedaten bislang kaum für strategische Zwecke wie Investitionsentscheidungen oder die Portfoliosteuerung. Überhaupt dienen die Taxonomiekennzahlen bislang vor allem der Erfüllung regulatorischer Transparenzpflichten. Mit einer besseren Datenverfügbarkeit durch die CSRD ab nächstem Jahr sowie zunehmender Berichtspraxis und damit einhergehender Verbesserung und Angleichung der Erhebungsmethoden, ließe sie sich in Zukunft jedoch auch nutzen, um im Sinne der Ziele des European Green Deals konkretere Anreize für die nachhaltige Transformation der Wirtschaft zu setzen sowie für Unternehmen eine größere Steuerungsrelevanz zu haben.
Christoph Schellhas, Partner und Leiter von Financial Services Sustainability bei PwC Deutschland, kommentiert: „Die EU-Taxonomie bringt für die Unternehmen eine stärkere Konzentration auf Nachhaltigkeit sowie verstärkte Berichtspflichten. Die Transparenz zu Nachhaltigkeit wird sich durch die CSRD kurzfristig noch deutlich erhöhen. Für Unternehmen ist es wichtig, auf eine Verbesserung der Datenqualität hinzuwirken und die Taxonomiedaten auch für strategische Steuerungszwecke außerhalb der Regulierung zu nutzen. So können sie, die sich aus der nachhaltigen Transformation ergebenden Chancen optimal nutzen.“