Nachhaltigkeit im Robo-Advisory: Ein kaum lösbares Dilemma
Robo-Advisor haben als digitale Vermögensverwalter einen beachtlichen Aufschwung erlebt. Mit wachsender Anbieter- und Kundenzahl steigt jedoch auch die Frage nach der Qualität und den Unterschieden der Portfolios. Die Studie „Asset Management im Robo-Advisory 2023“ beleuchtet unter anderem die Nachhaltigkeit der Angebote und wirft einen kritischen Blick hinter die Kulissen.
Bereits zum zweiten Mal hat Evergreen die Studie „Asset Management im Robo-Advisory“ veröffentlicht. Sie beleuchtet die von deutschen Robo-Advisors angewandten Asset Management Modelle. In der 2023 durchgeführten Studie wurden 26 Anbieter intensiv untersucht, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf dem Thema Nachhaltigkeit lag.
In der Asset Management-Branche hat Nachhaltigkeit in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Dies ist einerseits auf politische Bestrebungen, insbesondere der Europäischen Union, zurückzuführen, andererseits auf ein gesellschaftliches Umdenken. So gaben 2022 in der Gothaer Studie zum Anlageverhalten 59 Prozent der Befragten an, dass Nachhaltigkeit bei Investitionsentscheidungen für sie eine hohe Priorität hat. Die meisten Robo-Advisor haben die Bedeutung einer grünen Geldanlage mittlerweile erkannt: 20 von 26 Anbietern verwenden den Begriff „Nachhaltigkeit“ zu Werbezwecken auf ihrer Website, den weitergehenden Begriff „Impact Investing“ nutzen noch fünf Anbieter.
Das nachhaltige Dilemma der ETF-Robo-Advisor
Die Studie von Evergreen beachtet auch, welche Strategiearten angeboten werden. Dabei zeigt sich, dass 16 von 26 Anbietern neben klassischen Anlagestrategien auch eine Nachhaltigkeitsoption offerieren. Meist werden dabei traditionelle ETFs durch nachhaltige gebrandete Alternativen ersetzt.
Nur fünf Robo-Advisor – nämlich vividam, Inyova, Evergreen, Solidvest und Zeedin – verfügen über ein durchweg nachhaltiges Angebot. Diese Anbieter zeichnet aus, dass sie nicht in ETFs investieren und daher nicht von der Nachhaltigkeitsstrategie der ETF-Anbieter abhängig sind.
Einige dieser Robo-Advisor bieten Portfolios mit Einzeltiteln oder eigens verwalteten Fonds an und können so die Zusammensetzung ihrer Produkte beeinflussen.
Das Problem der Abhängigkeit von ETF-Anbietern besteht darin, dass Robo-Advisor in diesen Fällen wenig bis keinen Einfluss auf die ausgewählten Unternehmen oder Investments haben. Dies gilt auch für Anbieter, die zwar aktive, aber von Dritten verwaltete Fonds nutzen. Insgesamt setzen 81 Prozent der Robo-Advisors auf solche extern verwalteten Fonds und ETFs. Sie sind daher auf die Nachhaltigkeitsverfahren von Anbietern wie Blackrock, DWS oder Vanguard angewiesen.
Eine Suche nach Nachhaltigkeitsprozessen auf den Websites der Robo-Advisor zeigt häufig, dass solche Informationen fehlen. Nur vividam und Evergreen veröffentlichen eine einheitliche Liste von Ausschlusskriterien für alle Titel ihres Portfolios. Eine solche Liste ist das Mindeste, um die Nachhaltigkeit eines Portfolios glaubhaft zu machen. Anspruchsvollere Nachhaltigkeitsmessungen werden dabei oft nicht berücksichtigt.
Es sollte auch hinterfragt werden, inwieweit die Vorteile von überwiegend passiven ETFs mit hohen Nachhaltigkeitsstandards vereinbar sind. Je nachhaltiger ein Portfolio ist, desto gezielter müssen Investitionen gefiltert und ausgewählt werden. Ein hoher Nachhaltigkeitsstandard erfordert somit eine weniger passive und stärker aktive Faktorallokation. Passive Faktorallokationen, die in der Regel mit ETFs umgesetzt werden, sind daher nur eingeschränkt mit strengen Nachhaltigkeitskriterien vereinbar.
Einige Anbieter, wie cominvest, gehen transparent mit dieser Herausforderung um. Das Unternehmen gibt auf seiner Website an, dass mit der nachhaltigen ETF-Strategie zwar negative Effekte vermieden werden können, aber kein direkter Beitrag zur Zielverwirklichung geleistet und nicht direkt in nachhaltige Anlagen investiert werden kann.
Wie nachhaltig sind die Portfolios?
Um die Nachhaltigkeit von Geldanlagen zu bewerten, untersuchte die von Evergreen durchgeführte Studie auch einzelne Musterportfolios. Um eine systematische Analyse zu ermöglichen, wurden Messkriterien festgelegt, die einen Vergleich der verschiedenen Portfolios zulassen.
Wo möglich, wurde die nachhaltige Variante herangezogen. In der Studie wurden die verwendeten Produkte unter anderem gemäß der EU-Offenlegungsverordnung klassifiziert und anhand von ESG-Ratings bewertet. Es zeigte sich, dass viele Portfolios gute bis sehr gute ESG-Ratings aufweisen. Interessant ist, dass es, bis auf wenige Ausnahmen wie bevestor und Ginmon, bei nachhaltigen Anbietern keine signifikante Verbesserung des MSCI ESG gibt.
Für einen detaillierteren Einblick in die Nachhaltigkeit der Portfolios wurden umfangreiche ESG-Daten der eingesetzten Aktienportfolios betrachtet.
Für einen tieferen Einblick in den ökologischen Fußabdruck eines Portfolios eignet sich die Emissionsintensität. Die Emissionsintensität in tCO2 pro Million Dollar Umsatz zeigt, wie emissionsintensiv ein Unternehmen im Verhältnis zu seiner Größe bzw. seinem Umsatz operiert.
Hier gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Anbietern: Evergreen und Scalable Capital haben beispielsweise eine deutlich geringere Emissionsintensität als easyfolio, dessen Emissionen mehr als viermal so hoch sind. Es zeigt sich ein klarer Unterschied zwischen verschiedenen Nachhaltigkeitsportfolios. Nur weil ein Portfolio als nachhaltig gekennzeichnet ist und gute ESG-Ratings hat, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass der ökologische Fußabdruck tatsächlich reduziert wird – wie die Beispiele bevestor und fintego zeigen.