Whitepaper: Wie Banken die Zielgruppe Frau besser ansprechen
Mehr als die Hälfte der Bevölkerung sind Frauen und allein deswegen sind sie das Gegenteil eines Nischenmarktes. Und doch fühlen sie sich beim Thema Finanzen deutlich weniger angesprochen. Woran das liegt, versucht das Frauennetzwerk Futura in seinem Whitepaper „Finance for everyone“ (vollständiger Titel: „Finance for everyone. What women want from financial services – including a deep dive on trans* and migrant women.“) zu ergründen.
Das Whitepaper schlüsselt die Ergebnisse einer nicht repräsentativen Umfrage auf. Unter anderem geht es darum, was Frauen bei der Nutzung von Finanzprodukten wichtig ist: Die meist genannten Attribute sind Einfachheit (88%), Barrierefreiheit (77%), Flexibilität (63%), Sicherheit (58%) und Vertrauenswürdigkeit (52%). Des Weiteren nannten die Befragten, dass die in Anspruch genommenen Leistungen auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sein sollten (28%) und mit ihren Werten übereinstimmen müssen (25%). Letzteres ist vor allem wichtig für Frauen mit Migrationshintergrund und trans* Frauen.
„Wir wissen aus Studien, dass Frauen Finanzprodukte weniger nutzen. Es gibt auch Studien, die das Warum beleuchten. Aber wichtiger wäre, wie Produkte sein/ funktionieren müssen, damit sie die Bedürfnisse von Frauen besser erfüllen“, erklärt Whitepaper-Autorin Alex Gessner. Denn: „Sind die Produkte gut, werden wir sie schon nutzen. Dass sich die Industrie damit nicht in größerem Maße beschäftigen und sich damit 700.000.000 US-Dollar pro Jahr* durch die Lappen gehen lässt, hat mich so hart genervt, dass ich mich selbst – ohne große Bank im Rücken oder tiefe Budgettöpfe – damit beschäftigt habe.“
Zum Zeitpunkt, als das Whitepaper geschrieben wurde, war Alex Gessner VP of Onboarding & Integration bei Solaris, dem Berliner Fintech, das hinter dem Futura-Netzwerk steckt. Inzwischen ist sie als COO bei ACI Diversity Consulting tätig, der Beratung, mit der gemeinsam „Finance for everyone“ entstand.
Die kleinen Änderungen, die Banken vornehmen können
Um die gesamte Palette der Finanzdienstleistungen für Frauen attraktiv(er) zu machen, bedarf es keiner radikalen Überarbeitung, schreibt Gessner im Whitepaper. Es gehe darum, kleine, aber sinnvolle Änderungen vorzunehmen und ein Umfeld von Offenheit, Akzeptanz und Integration zu schaffen. Die Mehrheit der Befragten gab zum Beispiel an, lieber mit einer weiblichen Beraterin sprechen zu wollen, unter anderem weil sie sich dann mehr respektiert fühlt.
In dem Whitepaper geht es auch um die speziellen Schwierigkeiten, mit denen trans* Frauen oder nicht-binäre Personen im deutschen Bankensystem konfrontiert sind: Bei der Video-Identifikation akzeptieren viele Finanzinstitutionen zum Beispiel den von deutschen trans* Personen verwendeten Ergänzungsausweis nicht, was zu Ablehnung führen kann, wenn das „Erscheinungsbild“ nicht zum Ausweis passt. Die interviewten trans* Frauen führten aus, dass sie Beratungen meiden – aus Sorge, nicht ernst genommen, mit falschen Pronomen angesprochen oder bei ihrem Deadname (den Namen, den sie vor ihrer Transition trugen) genannt zu werden.
Die Erkenntnisse für das Whitepaper wurden durch eine LinkedIn-Umfrage mit 221 Frauen und zwei nicht-binären Personen auf LinkedIn sowie neun qualitative Interviews mit trans* Frauen sowie Frauen mit Migrationshintergrund. Die Autor:innen attestieren den befragten Personen ein überdurchschnittliches Wissen über Finanzdienstleistungen und -produkte und ein großes Bewusstsein für geschlechtsspezifische Ungleichheiten in der Branche. Es wird darauf hingewiesen, dass die Daten nicht repräsentativ sind.
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* Die 700 Milliarden US-Dollar, die der Finanzwirtschaft jährlich dadurch entgehen, dass sie die speziellen Bedürfnisse von Frauen in ihren Produkten nicht besser berücksichtigen, stammt aus einem Report der Strategieberatung Oliver Wyman von 2020.