Symbolbild Verteidigung mit einem Textkasten: Gastbeitrag von Elena Mock

Nachhaltigkeit und Verteidigung: Ein Widerspruch?

Verteidigungsinvestitionen und Nachhaltigkeit – ein Widerspruch in sich? Sowohl Politik als auch Wirtschaft setzen sich unter Hochdruck mit der Frage auseinander, wie und vor allem durch wen die Zeitenwende finanziert werden kann. Welche regulatorischen Vorgaben, Markttrends und ethischen Überlegungen spielen bei der Bewertung solcher Investitionen eine Rolle?

Konventionelle Waffen – Stärkere Differenzierung notwendig

Angesichts wachsender geopolitscher Spannungen diskutiert die Finanzindustrie die Frage, ob mit der veränderten Sichtweise auf Rüstung auch Verteidigungsinvestitionen als nachhaltig eingestuft werden können. Die Debatte erhält neue Impulse durch Studien unter anderem der EU-Kommission, die auf die Herausforderungen hinweisen, mit denen besonders kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) der Rüstungsindustrie beim Zugang zu Finanzierungen konfrontiert sind. Ein erheblicher Anteil dieser Unternehmen empfindet es als schwierig, Eigen- oder Fremdkapital für notwendige Investitionen zu erhalten, da viele Banken und Investoren grundsätzlich nicht mit der Rüstungsindustrie zusammenarbeiten. Fakt ist jedoch, dass regulatorische Vorgaben die Finanzwirtschaft nicht davon abhalten, über Nachhaltigkeitsfonds in konventionelle Rüstung zu investieren. Lediglich die Investitionen in kontroverse Rüstung, wie Nuklearwaffen, ist nicht möglich.

Der Umgang mit Investitionen in konventionelle Rüstungsgüter ist in Europa uneinheitlich. Während insbesondere nordische Asset Manager schon seit längerer Zeit über Nachhaltigkeitsfonds in konventionelle Rüstung investieren, sind viele deutsche Asset Manager noch zurückhaltend. Bei Warburg Invest setzen wir für unsere Nachhaltigkeitsfonds ebenfalls auf einen umsatzbasierten Ausschluss konventioneller Rüstung. Gleichzeitig möchten wir in den offenen Dialog treten und hinterfragen, ob ein pauschaler Ausschluss langfristig tragbar ist.

Die Rolle der Bundesregierung

Die aktuelle geopolitische Lage, insbesondere Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine, hat die Notwendigkeit einer starken Verteidigungsstrategie in Europa verdeutlicht und fordert klare politische Weichenstellungen. Die Bundesregierung plant, die Rüstungsindustrie zu stärken, um die europäische Verteidigungsfähigkeit auszubauen. Geplant sind größere Investitionen in die heimische Rüstungsindustrie, um Engpässe zu vermeiden und Lieferketten zu sichern. Auch rechtliche und regulatorische Hürden für die Rüstungsproduktion sollen in diesem Zuge reduziert werden.

Gleichzeitig bleibt die nach wie vor heikle Frage der Rüstungsexporte. Waffenexporte unterliegen in Deutschland einem Genehmigungsprozess, der durch den Bundessicherheitsrat überwacht wird. Der Weg der Entscheidungsfindung im Bundessicherheitsrat ist für die Öffentlichkeit nicht einsehbar, und es gibt oft keine klare Begründung, warum Exporte in bestimmte Länder genehmigt oder abgelehnt werden.

Waffenexporte oft umstritten

Trotz des im europäischen Vergleich strengen Freigabeprozesses befinden sich auch Regierungen, die wie Saudi-Arabien Menschenrechtsverletzungen begehen, auf der Kundenliste deutscher Produzenten. Begründet wird dies mit der stabilisierenden Rolle Saudi-Arabiens im Nahen Osten. Dennoch dürfte eine Freigabe von Rüstungsunternehmen für Nachhaltigkeitsfonds in diesem Kontext schwerer fallen als für Waffenlieferungen an die Ukraine. Insbesondere im Fall von Publikumsfonds sollen die gewählten Kriterien auch das Nachhaltigkeitsverständnis der Bevölkerung widerspiegeln.

Eine Studie der Universität Hamburg zeigte kürzlich, dass die Waffenlieferungen an die Ukraine auf Zustimmung in der Bevölkerung, insbesondere bei Wählerinnen und Wählern der politischen Mitte, stoßen. Lieferungen an andere Exportländer finden allerdings deutlich weniger Rückhalt in der Bevölkerung. Unternehmen, die als nachhaltig klassifiziert werden möchten, müssten einen ethischen Mindeststandard an ihre Exporte anlegen. Auf die Liste potentieller Käufer dürften nur Länder kommen, die demokratische Werte vertreten, die Menschenrechte respektieren und international anerkannte Verträge einhalten.

Der Weg zu einer nachhaltigen Verteidigungsindustrie

Um die Balance zwischen Sicherheit und Nachhaltigkeit zu finden, können sowohl die Finanzbranche als auch die Rüstungsindustrie aktiv zu einer Lösung beitragen. Die Finanzbranche hat durch ihre Investitionsentscheidungen großen Einfluss darauf, welche Unternehmen Zugang zu Kapital erhalten und somit auf die Innovationskraft der Rüstungsindustrie. Dabei könnten klare, transparente ESG-Kriterien für Investitionen in die Rüstungsindustrie entwickelt werden, die nachhaltige Unternehmen begünstigen.

Teil dieser Nachhaltigkeitsklassifizierung kann ein verbindlicher ethischer Mindeststandard sein, der an potentielle Kundenländer angelegt wird. Letztlich liegt es an beiden Sektoren, nachhaltige Lösungen zu fördern und den internationalen Sicherheitsanforderungen gerecht zu werden, ohne ethische Kompromisse einzugehen.


Über das „ESG-Dilemma im Investment Prozess am Beispiel Rüstung“ spricht Elena Mock auch am 27. September bei der Handelsblatt-Fachtagung „ESG-Reporting und -Steuerung 2024“. Das Zebra-Magazin ist Medienpartner der Veranstaltung, die am 26. und 27. September in Düsseldorf und digital stattfindet. Mehr erfahren.

Banner der Handelsblatt-Tagung „ESG-Reporting & Steuerung“ am 26. und 27. September

Autor

  • Elena Mock

    Elena Mock ist bei Warburg Invest für ESG-Themen verantwortlich. Vor ihrer Rolle als Head of ESG Office hat sie das Unternehmen in Nachhaltigkeitsthemen vertreten.

    Alle Beiträge ansehen Head of ESG Office @ Warburg Invest