CSRD Regulatorik Sustainable Investment Framework

Kommentar CSRD: Segen oder Bürokratiemonster für Unternehmen?

Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Erfolg dürfen keine Gegensätze sein – sie gehören zusammen. Daher begrüße ich grundsätzlich die Einführung der CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive). Transparenz in Bezug auf ökologische und soziale Verantwortung ist dringend notwendig, um echte Fortschritte in Richtung Nachhaltigkeit zu machen. Doch so richtig die Ziele der CSRD sind, so groß ist auch die Herausforderung, die sie insbesondere für mittelständische Unternehmen darstellt.

2026 werden viele Unternehmen in Deutschland erstmals einen ausführlichen Nachhaltigkeitsbericht nach der sogenannten Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) veröffentlichen. Sie müssen dann bis zu 1.178 Angaben dazu machen, wie sich ihre betrieblichen Tätigkeiten auf Umwelt, Soziales, Menschenrechte und Unternehmensführung auswirken und wie sie zum Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft beitragen. Mit dieser Richtlinie weitet die Europäische Union die Berichterstattung von Unternehmen zu Nachhaltigkeitsthemen deutlich aus. Bislang sind etwa 500 große Unternehmen in der Bundesrepublik berichtspflichtig – künftig werden es etwa 15.000 sein.

Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Erfolg sind untrennbar miteinander verbunden – das ist für mich eine der zentralen Überzeugungen moderner Unternehmensführung. In diesem Sinne begrüße ich die Grundidee der CSRD, die eine klare und transparente Berichterstattung über ökologische und soziale Verantwortung fördern soll. Unternehmen müssen sich ihrer Verantwortung stellen, und die CSRD bietet einen klaren Rahmen, um Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt unternehmerischen Handelns zu rücken.

Hoher Aufwand durch detaillierte CSRD-Berichterstattung

Allerdings: Der Detailgrad der Berichterstattung ist immens. Die Richtlinie erfordert bis zu 1.178 Pflichtangaben – je nachdem, welche Themen das Unternehmen als wesentlich einstuft. Doch selbst wenn das Unternehmen die Menge der Pflichtangaben reduzieren kann, bleibt es ein Kraftakt.

So geht das Bundesjustizministerium davon aus, dass die Einführung der CSRD-Berichtspflicht die Unternehmen in Deutschland einmalig knapp 750 Millionen Euro kosten wird, die jährlichen Aufwendungen taxiert es mit knapp 1,6 Milliarden Euro. Und das ist sicherlich konservativ geschätzt. Denn die Mitarbeiter im Bereich HR, Finance und so weiter werden ja sowieso bezahlt: Sie müssen plötzlich aber ganz neue und mehr Aufgaben übernehmen. Diese Kosten intern zu beziffern ist schwierig.

Die ersten, bereits veröffentlichten Berichte nach dem CSRD-Standard umfassen zwischen einhundert und vierhundert Seiten. Diese Seiten müssen von den Unternehmen geschrieben und von den Wirtschaftsprüfern geprüft werden. Zusätzlich zu allen bereits bestehenden Jahresabschlüssen und Lageberichten. Wer schreibt das? Wer liest das? Wer prüft das? Und vor allem: Ist das der richtige Weg, um nachhaltiges Handeln zu fördern?

Beispiele: So sieht es bei Unternehmen aus

Ich hege daran leise Zweifel, und möchte gern zwei Beispiele nennen: Unzer (Webseite) ist ein Zahlungsunternehmen mit knapp 800 Mitarbeitern an acht Standorten in vier europäischen Ländern. Wir stellen Kassensysteme und Kartenterminals zur Verfügung, wickeln Zahlungen ab, bieten ergänzende Software sowie weitere Zahlungslösungen an. Wir stellen nichts her, sind von drei Finanzaufsichten reguliert und sind ausschließlich in der EU aktiv. Es versteht sich von selbst, dass wir uns an alle geltenden Normen und Gesetze halten. Dennoch müssen wir offenlegen, ob und inwieweit wir Kinder und Zwangsarbeiter beschäftigen oder Menschenhandel dulden.

Oder ein weiteres Beispiel: Als Dienstleistungsunternehmen sind die größten Treiber unserer CO2-Emissionen unsere Bürogebäude sowie die Geschäftsreisen. Unseren Stromverbrauch haben wir bereits zu 100 Prozent auf Ökostrom umgestellt; wir erlauben nur in Ausnahmefällen Inlandsflüge bei Geschäftsreisen und bezuschussen Dienstfahrräder oder ein Ticket für den öffentlichen Nahverkehr. Der Gesetzgeber schreibt jedoch vor, dass wir auch klimabezogene Szenarioanalysen und Stresstests durchführen. Wir müssen also analysieren, wie sich Permafrost, Schneestürme, Tornados, Erdbeben oder Dürren auf unser Geschäftsmodell auswirken könnten.

Herausforderungen für mittelständische Unternehmen

Ich bestreite nicht, dass diese Angaben je nach Unternehmen sinnvoll und aussagekräftig sind. Jedes Unternehmen sollte sich mit möglichen Geschäftsrisiken auseinandersetzen. Allerdings halte ich den Detailgrad der Offenlegungspflichten für mittelständische Unternehmen zumindest in manchen Punkten für überzogen. Gerade für diese Betriebe, die ohnehin schon mit begrenzten Ressourcen arbeiten, wird die Umsetzung der CSRD zu einem enormen Kraftakt. Hier droht die Richtlinie, mehr Bürokratie als Mehrwert zu schaffen.

Für Beratungsunternehmen ist die CSRD-Pflicht eine Goldgrube. Denn die Unsicherheit bei den Unternehmen ist hoch. Schließlich hat der CSRD-Bericht künftig den gleichen Stellenwert wie beispielsweise die Gewinn- und Verlustrechnung oder die Bilanz. Sollte ein Unternehmen ein eingeschränktes Testat im Nachhaltigkeitsbericht erhalten, so beträfe das den gesamten Jahresbericht. Ein Risiko, dass Unternehmen verständlicherweise um jeden Preis vermeiden wollen.

Und so wird der Markt mit Beratungsleistungen und Tools geradezu überschwemmt. Manche dieser Tools versprechen, mit Hilfe künstlicher Intelligenz den Bericht mit wenigen Klicks, quasi per Knopfdruck, zu erstellen. Klingt wahrlich zauberhaft, doch auch das beste Tool kann nur dann Daten auswerten, wenn es mit diesen gefüttert wird. Und genau hier liegt das Problem: Die Datenlage ist in vielen Unternehmen unstrukturiert; die Aufgaben auf viele Köpfe intern verteilt.

Um es zu verdeutlichen: Um zu wissen, wie hoch unsere CO2-Emissionen sind, müssen wir unter anderem acht verschiedene Vermieter in vier Ländern anschreiben, und dort erfragen, wie sich die Emissionen bei den Heizkosten exakt zusammensetzen. Das ist aufwendig und erfordert viel manuelle Arbeit – kein Tool wird das in naher Zukunft automatisiert erfassen können.

Chancen durch die CSRD-Berichterstattung

Gleichzeitig sehe ich in der CSRD-Pflicht auch Chancen, weil wir uns nun viel daten- und kennzahlengetriebener mit den Themen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung befassen. Das schafft eine neue Transparenz und zeigt uns weitere Stellschrauben auf, um unsere bereits vor der CSRD aufgestellten, ambitionierten ESG-Ziele zu erreichen. Vor allem aber ist es auch für uns als Arbeitgeber eine Chance, uns hier als Vorreiter zu eta-blieren. Denn es geht ja nicht nur um die Erfüllung gesetzlicher Vorgaben, sondern auch darum, langfristig verantwortungsbewusst zu handeln und dadurch für Mitarbeiter:innen, Investor:innen und Geschäftspartner:innen attraktiver zu werden. Die gezielte Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung trägt zudem dazu bei, dass wir unser Unternehmen zukunftssicher aufstellen – sowohl im Hinblick auf die wachsenden Anforderungen des Marktes als auch auf die Erwartungen unserer Stakeholder.

Noch ist nicht klar, wie ein „guter“ CSRD-Bericht aussehen muss, damit er allen Standards gerecht wird. Wirtschaftsprüfungen wie Unternehmen betreten Neuland. Mit Sicherheit wird der Gesetzgeber einige Anforderungen präzisieren oder verändern. Ich wünsche mir, dass er manche Offenlegungspflichten entschlackt. Was wir brauchen, sind nicht mehr Berichte, sondern mehr Engagement für eine nachhaltigere und generationengerechte Zukunft.

Autor

  • Dr. Max Steiger

    Dr. Max Steiger ist ein erfahrener Experte in den Bereichen Compliance, Risikomanagement und Governance. Als Chief Compliance and Governance Officer beim Fintech Unzer E-Com ist er unter anderem für die Themen Compliance, Geldwäschebekämpfung, Informationssicherheit und ESG (Umwelt, Soziales und Governance) zuständig. Zuvor war er fast zwanzig Jahre in leitenden Funktionen bei namhaften Finanzinstituten tätig.

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